Kofi Annan warnt vor einer geteilten Welt

Der scheidende UNO-Generalsekretär spricht zum letzten Mal vor der Vollversammlung in New York. Zwischen Bush und Ahmadinedschad kommt es zu einem Schlagabtausch. Keine Einigung der Vetomächte und Deutschlands im Atomstreit

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat die Warnung vor einer „geteilten Welt“ am Dienstagabend in den Mittelpunkt seiner letzten Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York gestellt. Im Anschluss an Annan, dessen zehnjährige Amtszeit Ende Dezember ausläuft, lieferten die Präsidenten der USA und Irans, George Bush und Mahmud Ahmadinedschad, mit ihren Reden einen anschaulichen Beweis für die tiefe Teilung der Welt fünf Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Annan erklärte, die „ungerechte Verteilung der wirtschaftlichen Stärken“, die „Missachtung der Menschenrechte“ sowie die „bisherige Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, die Konflikte im Nahen Osten zu lösen“, seien die größten Bedrohungen für Frieden und Stabilität in der Welt. Als „vorrangig“ bezeichnete der UNO-Generalsekretär eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Kein anderer Konflikt mobilisiere die Menschen auch außerhalb des Konfliktgebietes dermaßen stark.

Annan kritisierte, dass immer mehr Regierungen die Bekämpfung des Terrorismus „zum Vorwand für die Einschränkung von Menschenrechten nehmen“. Der Generalsekretär erinnerte die Regierungschefs und AußenministerInnen der 192 Mitgliedsstaaten daran, dass sie auf dem UN-Reformgipfel vor genau einem Jahr die neue völkerrechtliche Norm der Verantwortung zum Schutz von Bevölkerungen vor Genozid und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen beschlossen hatten. In diesem Beschluss hieß es, „wenn Regierungen nicht willens oder nicht in der Lage sind, diese Verantwortung zum Schutz wahrzunehmen“, gehe diese Verantwortung auf die UNO und den Sicherheitsrat über. Dieser Beschluss habe sich mit Blick auf die Lage in der westsudanesischen Provinz Dafour als „leeres Versprechen erwiesen“, kritisierte Annan den Sicherheitsrat.

US-Präsident Bush nutzte seine Rede erneut, um den „Krieg gegen den Terrorismus“ als richtig, erfolgreich und auch für die Zukunft alternativlos zu preisen. Der iranischen Führung warf er vor, den Terrorismus zu unterstützen und die Entwicklung von Atomwaffen zu betreiben. Erneut forderte der US-Präsident den Sicherheitsrat auf, Sanktionen gegen Iran zu verhängen, falls Teheran weiterhin nicht bereit sei, alle Aktivitäten zur Anreicherung von Uran bedingungslos und überprüfbar zu suspendieren.

Irans Präsident Ahmadinedschad ging in seiner Rede zwar nicht direkt auf die Äußerungen Bushs und auf die Frage der Urananreicherung ein. Doch er warf den USA vor, sie „missbrauchten“ die UNO und den Sicherheitsrat, um Iran durch „illegitime“ Ausübung von Druck zur Aufgabe seines „völkerrechtlich verbrieften Rechts“ auf Nutzung der Atomtechnologie zu nötigen.

Bei einem Arbeitsessen der sechs Außenminister der Vetomächte des Sicherheitsrates (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) sowie Deutschlands am Dienstag wurde erneut deutlich, dass es in der Frage von Sanktionen gegen Iran keine gemeinsame Haltung gibt. China, Russland und Frankreich sind bislang nicht bereit, das Thema Sanktionen auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates zu setzen. Nach offiziell unbestätigten Informationen verständigten sich die sechs AußenministerInnen lediglich über eine zeitliche Frist für die Kompromissverhandlungen zwischen EU-Außenkommissar Janvier Solana und dem iranischen Chefunterhändler für Atomfragen, Ali Laridschani, die für nächste Woche ihr dann drittes Treffen seit Anfang September angekündigt haben. Nach Ablauf der Frist wollen die sechs AußenministerInnen erneut zusammentreffen.