Mit Bärchenwurst gegen Gammelfleisch

Die Hersteller von Fertiggerichten wollen mit teureren Produkten für Gesundheitsbewusste gegen die Folgen der Lebensmittelskandale kämpfen

Mit der Frische wurde es bei einigen Fertigprodukten nicht so genau genommen

AUS BAD SODEN HEIDE PLATEN

Spanferkel, das nach Eber riecht, oder ranzige Sparerips. Dazu „pappige, klebrige, ledrige“ Knödel mit „Ballenbildung beim Kauen“ und eine „missfarbene“ Soße. Goetz Hildebrandt, Leiter des Instituts für Lebensmittelhygiene an der Freien Universität Berlin, hat Fertiggerichte getestet. Und die haben ihn offenbar nicht überzeugt. Denn all die genannten Merkmale seien ein Hinweis darauf, „dass es mit der Frische nicht ganz so genau genommen wurde“. Als hätte die Branche durch die Funde von vergammeltem Fleisch derzeit nicht schon genug Probleme.

Dennoch zeigt sich die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) gestern zur Eröffnung der ersten deutschen Lebensmitteltage in Bad Soden selbstbewusst. Immerhin lautete das Thema des Eröffnungskongresses „Wellness und Gesundheit: Impulse zur Profilierung und Positionierung im Fleischwaren- und Conveniencesektor“.

Der 1885 gegründeten DLG gehören rund 17.000 Firmen, Hersteller und Einzelmitglieder aus der Lebensmittelbranche an. Horst Stockmeyer, Vorsitzender der DLG-Kommission Fleischwirtschaft, konstatierte ein derzeit schwieriges Umfeld mit „hoch sensibilisierten Verbrauchern“, aber gleichzeitig immer tiefer gedrückten Endverbraucherpreisen. Die Gegenstrategie der Branche zu Gammelfleisch und Massenware: Sie hängt sich an den Megatrend Wellness und Gesundheit und hofft so auf „Käuferschichten, die bereit sind, mehr Geld“ für bessere Produkte zu bezahlen.

Wie diese Fertiggerichte aussehen können, präsentierte Wolf Dietrich Müller von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel. Er ist bei der DLG zuständig für die Qualitätswettbewerbe in der Kategorie Brühwürste. Die neuen Trends: Würste für Kinder und Jugendliche in Bärchenform oder zu Minifußbällen gepresst. Wanderer bekommen ihre Brotzeit gleich mit einem Verdauungslikör angereichert. Zudem wird die Wurst immer fettärmer. Speck werde durch Rapsöl oder Milchprodukte ersetzt. Pflanzenfasern fungieren als Ballaststoffe. Die Hersteller dürften aber nicht übertreiben. Allzu viele Ersatzstoffe verlängerten die Liste der Inhaltsstoffe und machten den Verbraucher misstrauisch.

Für manche Zusätze habe er auch gar kein Verständnis. So seien immer mehr Zuckerstoffe in den Würsten nicht nur ein geschmacklicher Mangel, sondern auch ein idealer Nährboden für Mikroorganismen. Weniger, so sein Fazit, sei mehr. Und als gutes Beispiel präsentierte er dann einen italienischen Rohschinken mit dem schlichten Aufdruck: „Schweinefleisch, Meersalz“.

Der Markt für Fertigprodukte, zusammengefasst unter dem Begriff „Anglicism Food“, wächst nach Branchenangaben trotz aller Skandale stetig, egal ob das Segment Convenience, Clean, Chilled, Cross over, Grap and Go, Ethnic oder Finger Food heißt. Trotz gelungener Innovationen wie Rollmops mit Kürbis, Senf mit Johannisbeeren, Zitronengras im Fischgericht aber bleibe der Verbraucher letztendlich „so konservativ wie der Kurgast in Bad Soden“.

Und er werde, so die Produktmanagerin Claudia Schröder von der Feinkostfirma Homann, immer älter. Deshalb richten sich die Hersteller immer stärker auf den über 50 Jahre alten, extrem gesundheitsbewussten „Best Ager“ aus. Der Genussmarkt erlebe „ein neues Ernährungsbewusstsein“, der Anteil der „Leichtprodukte“ habe sich seit 2003 auf 12,2 Prozent vergrößert.

Dem trage der Markt Rechnung mit Ersatzstoffen und positiver Werbung: „Vital – Verzicht auf den Verzicht“. Doch auch hier zeigte sich Hildebrandt skeptisch: „Alles wird zu mager, und das ist dem Genuss nicht so zuträglich.“