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Doppelte Botschaften aus der Chefetage

KLASSENKAMPF Beim Krankentransport-Unternehmen Med-Trans versucht die Geschäftsführung eine Betriebsratswahl zu verhindern. Vermeintliche Kandidaten bekamen die betriebsbedingte Kündigung

Die Med-Trans GmbH

Die Firma Med-Trans GmbH (MTG) ist spezialisiert auf Krankentransporte sowie Behinderten- und Krankenfahrten insbesondere für Dialyse-Patienten.

■ Das Unternehmen mit seinen rund 120 MitarbeiterInnen ist in Hamburg Marktführer in dieser Branche, unterhält nebenbei aber auch einen Taxi- und Limousinenservice.

■ Die Gründung eines Betriebsrates wäre in Hamburg für diese Branche, in der oft prekäre Arbeitsbedingungen herrschen und Dumpinglöhne gezahlt werden, laut der Gewerkschaft Ver.di ein Novum.

Arbeitsrecht-Wild-West bei der Med-Trans GmbH (MTG): Das insolvente Familien-Unternehmen für Krankentransporte versucht offenkundig, die Wahl eines Betriebsrates und die dafür notwendige Wahl eines Wahlvorstandes am morgigen Dienstag zu verhindern. Vermutliche Kandidaten haben ihre „betriebsbedingte Kündigung“ erhalten und sind ab sofort von der Arbeit freigestellt worden.

Es ist nicht das erste Mal, dass MTG mit seinen rund 120 MitarbeiterInnen Insolvenz anmelden musste. So war es Mitte August zum dritten Mal in den letzten Jahren der Fall. Die Belegschaft erfuhr erst verspätet von der finanziellen Misere. „Man hat uns zwei Tage hinters Licht geführt, hatte uns zuvor immer wieder versichert, dass alles in Ordnung sei“, berichten Mitarbeiter.

Als die MTG-Beschäftigten den Schock verarbeitet hatten, beschlossen mehrere Angestellte, endlich über die Gewerkschaft Ver.di eine Betriebsratswahl in Angriff zu nehmen. „Wir wollten die Insolvenz nutzen, einen Betriebsrat zu gründen“, sagen Mitarbeiter.

„In dem Betrieb herrschen ziemlich ausbeuterische Verhältnisse“, sagt Peter Bremme, Ver.di-Sekretär des Fachbereichs besondere Dienstleistungen. Bei einem Stundenlohn von 7,50 Euro müssten viele bis zu 220 Stunden im Monat arbeiten, um mit ihren Familien über die Runden zu kommen. „Bei der Vergabe von Einsätzen herrscht große Willkür“, ergänzt Bremme. MTG versuche seinerseits das Insolvenzverfahren zu nutzen, um die Betriebsratswahlen zu verhindern und „die Leute, die für die Rädelsführer gehalten werden, zu entfernen“.

Offiziell behaupten die MTG-Geschäftsführer Andreas und Elisabeth Bahr jedoch etwas anderes. In einem Brief an die Gewerkschaft „begrüßten“ sie die Ver.di-Initiative, sofern ein Betriebsrat die „Interessen der Belegschaft“ vertreten würde.

Fakt ist jedoch: Zuerst bekam Anfang voriger Woche eine Mutter zweier Kinder aus der Einsatzzentrale den blauen Brief, da sie offenkundig für eine Initiatorin gehalten wird. Ende der Woche haben zwei weitere langjährige Mitarbeiter – beide Väter – die „betriebsbedingte Kündigung“ erhalten. Dabei sind Ausfälle im Krankentransport in Kauf genommen worden. „Alles Leute, die mit Sicherheit für den Betriebsrat kandidieren“, sagt Bremme.

Dass das mit der Wahlversammlung zu tun hat, ist für Bremme sicher, denn eine soziale Auswahl – Voraussetzung für betriebsbedingte Kündigungen – hat nicht stattgefunden und junge, ledige Angestellte mit kurzer Betriebszugehörigkeit seien bei der Sozialauswahl gar nicht erst mit einbezogen worden. Ver.di prüft nun strafrechtliche Schritte wegen Behinderung der Betriebsratswahl. Der taz gegenüber wollte MTG-Geschäftsführer Andreas Bahr gestern nicht Stellung nehmen. KAI VON APPEN

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