Leben nach dem Hit

Smart! Aber ob man so alt wird? Am Rande der Popkomm startete die Band The Rapture in Berlin ihre Europa-Tour

Nein, tauschen möchte man mit ihnen nicht. Was tun, wenn man als Band mit einem ganz bestimmten Sound assoziiert wird? Wegen eines brillanten Albums und eines mitreißenden, so tanzbaren wie intelligenten Sounds, den man entwickelt hat, weil man smart ist und ziemlich genau weiß, was man will. Alles Gründe, weshalb man genau diesen Sound nun loswerden möchte, auch wenn man bis zum Tag des Jüngsten Gerichts weiter um den Globus touren könnte? Nein, tauschen möchte man nicht mit der New Yorker Band The Rapture, die mit „Pieces Of The People We Love“ gerade ihr neues Album veröffentlicht hat und am Mittwoch in Berlin ihre Europatournee starteten. Denn so grundokay ihr Auftritt war – wie sie dieses Dilemma aufzulösen beabsichtigen, zeichnete sich nicht ab.

Es war das gigantische Kuhglockengedengel ihrer Platte „Echoes“ aus dem Jahre 2003, das The Rapture berühmt machte – insbesondere ihr Stück „House Of Jealous Lovers“, eine Single, die heute paragdigmatisch für jenes Genre steht, das Indie-Dance man sich zu nennen angewöhnt hat. Will sagen: Jungs mit Indierock-Background haben keine Lust mehr auf die Besserwisserlangeweile ihres Genres und fangen an, ihren Sound mit Elementen der Dance Music aufzumotzen. Im Fall von The Rapture (und weil sie wirklich einflussreich wurden, gilt das mittlerweile für fast alle Indie-Dance-Acts) waren das Bands des Postpunk der frühen Achtziger, als sich Rock und Disco ja schon einmal begegnet waren. Also: ein druckvoller Bass mit melodischer Präsenz, lärmiges Gitarrengesäge und ein Schlagzeug, das sich seinen Funk bei einer vergessenen Combo wie Liquid Liquid abgeschaut hatte.

Damit waren The Rapture sehr erfolgreich, weil sie aber nicht bis an ihr Lebensende auf diesen Sound festgelegt werden wollen, engagierten sie sich für „Pieces Of The People We Love“ DJ Danger Mouse als Produzenten, die eine Hälfte von Gnarls Barkley (das sind die mit dem Sommerhit „Crazy“). Herausgekommen ist eine Platte, der man anmerkt, wie viel Mühe in die Details gesteckt worden sind: Im Großen und Ganzen reißt sie einen allerdings nicht mit.

Doch wer hätte gedacht, dass eine Kuhglocke sich zu einem solchen Fluch entwickeln kann? Die ersten paar Stücke des Konzerts waren samt und sonders von der neuen Platte, wurden auch freundlich aufgenommen, aber richtig in Fahrt kam der Auftritt erst, als The Rapture begannen, auf die Kuhglocke zu schlagen. Nicht nur für das Publikum: Auch die Band fing an, sich ganz anders an ihrer Musik zu freuen. Vielleicht war es auch nur der Umstand, dass es das erste Konzert der Tour war, doch recht rasch gaben sie den Versuch einer anderen Soundästhetik auf. Auch die Stücke des neuen Albums klangen in dem quengeligen Gejaule des Gesangs von Luke Jenner auf einmal wie Public Image Ltd.

Was seinen Charme hatte. Allerdings auch die Mängel des neuen Albums offenbarte – denn am Ende ist das Songwriting nicht auf der gleichen Höhe wie beim Vorgänger. Ein Stück wie der wunderbare Heuler „Olio“ etwa verliert auch dann wenig von seiner Schönheit, wenn es durch die Acid-House-Mangel gedreht wird.

Es war ein schönes Konzert. Doch alt wird man so nicht.

TOBIAS RAPP

Am 3. 10. spielen The Rapture in München, am 4. 10. in Köln