: Eine Zukunft für Flüchtlinge in Deutschland
Heute wollen Innenminister und Koalitionspolitiker eine Altfallregelung für abgelehnte Asylbewerber festlegen
BERLIN taz ■ Erstmals seit sieben Jahren wollen sich die Innenminister von Bund und Ländern auf eine Altfallregelung für langjährig hier lebende abgelehnte Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge einigen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat heute Landesinnenminister und Koalitionspolitiker zu einem Arbeitstreffen nach Berlin geladen. Das Ziel: Noch vor der Innenministerkonferenz im November wollen sich die Politiker von CDU und SPD auf einen Kompromiss einigen. Kommt der zustande, dann braucht im November eine Altfallregelung nur noch abgenickt zu werden.
Es geht um gut 200.000 Menschen aus dem früheren Jugoslawien, um staatenlose Palästinenser, um Kurden, Vietnamesen und afrikanische Flüchtlinge. Sie leben seit Jahren in Deutschland, haben aber kein Aufenthaltsrecht. Das heißt, sie dürfen den Landkreis, in dem sie leben, nicht verlassen. In der Regel dürfen sie nicht arbeiten, nicht studieren, keine Ausbildung aufnehmen. Sie müssen in den meisten Bundesländern in Gemeinschaftsunterkünften leben, haben nur eingeschränkten Zugang zu medizinischen Leistungen und können ihr Leben nicht langfristig planen. Durch die Aushöhlung des Asylrechts wird immer mehr Menschen in Deutschland Asyl verwehrt. Aus humanitären Gründen dürfen sie dennoch nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Das Ergebnis ist ein Leben zwischen Baum und Borke.
Die Frage, in der CDU und SPD sich nicht einigen können, ist, wie viele der 200.000 Betroffenen von einem Bleiberecht profitieren sollen. Der Vorschlag vom CDU-regierten Niedersachsen, der von Bayern und Sachsen mitgetragen wird, beschränkt das Bleiberecht auf Familien mit schulpflichtigen Kindern, die seit siebeneinhalb Jahren in Deutschland leben. Sie sollen innerhalb kurzer Frist ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und sollen Deutsch sprechen. Ungeachtet des Trends zu ungesicherten Arbeitsverhältnissen sollen sie einen unbefristeten Arbeitsplatz nachweisen können. Außerdem will Niedersachsen ledigen Jugendlichen ein Bleiberecht gewähren, die hier einen Schulabschluss gemacht und ihre Integration unter Beweis gestellt haben. Deren Eltern aber sollen Deutschland verlassen. Norbert Grehl-Schmidt vom niedersächsischen Flüchtlingsrat kritisiert den Niedersachsen-Entwurf: „Familien mit kleinen oder volljährigen Kindern, Familien mit schulpflichtigen Kindern und Niedrigeinkommen, Alleinstehende, Kranke und Behinderte sollen ausgeschlossen werden.“ Das sei mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar.
Die SPD will hingegen eine Bleiberechtsregelung nicht auf Familien mit Kindern beschränken. Doch die sollen bevorzugt werden, um ihnen endlich eine Zukunftsperspektive zu bieten, erklärt Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD). Wie die SPD-Position genau aussieht, will er noch nicht offenbaren. „Das würde die Gespräche mit der CDU erschweren.“ Die CDU im Bund und in Hessen hat Kompromissbereitschaft signalisiert. Doch die Innenminister können nur einstimmig entscheiden. MARINA MAI
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