: Viel Glück bei Fährunglück
SCHIFFFAHRT Der Brand der Ostseefähre „Lisco Gloria“ verläuft glimpflich für Passagiere und Umwelt. Trotzdem fordern Sicherheitsexperten, Menschen und Gefahrengut zu trennen
VON REINHARD WOLFF
Es hätte schlimm ausgehen können, als das Fährschiff „Lisco Gloria“ in der Nacht zum Samstag nordwestlich der Insel Fehmarn kurz vor Mitternacht in Brand geriet. Das Feuer breitete sich in kürzester Zeit aus. Doch alle Passagiere und die Besatzung konnten gerettet werden.
Geschuldet war das offenbar einem vorbildlichem Einsatz der Besatzung – und gleich mehreren glücklichen Zufällen. So ereignete sich der Unfall etwa eine Stunde, nachdem die „Lisco Gloria“ den Kieler Hafen auf dem Weg ins litauische Klaipedal verlassen hatte. Im dicht befahrenen Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark war unter anderem die auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und dem dänischen Rødbyhavn verkehrende Fähre „Deutschland“ unterwegs. Sie erreichte die Unfallstelle sehr schnell und konnte die meisten Passagiere sowie die Besatzung des Havaristen an Bord nehmen. Die ruhige See begünstigte die zweistündige Rettungsaktion zusätzlich.
Nach den am Sonntag vorliegenden Erkenntnissen der deutschen und dänischen Behörden war das Feuer an einem offenbar defekten Lkw-Aggregat ausgebrochen. Ein Besatzungsmitglied habe bei einem Routine-Rundgang auf dem offenen Autodeck Rauch festgestellt und zunächst einen eigenen Löschversuch unternommen, erklärte der Leiter des Lagezentrums im Kieler Innenministerium, Joachim Gutt. Als dieser fehlschlug, habe der Mann den Kapitän informiert, der dann den Brandalarm auslöste und die Fähre sofort über Rettungsinseln und -boote evakuieren ließ.
Einige Reisende, die in Panik in das kalte Ostseewasser gesprungen waren, mussten mit Seenotrettungsbooten sowie deutschen und dänischen Marinehubschraubern geborgen werden. Von den 249 Geretteten erlitten 28 leichtere Verletzungen, 23 mussten in Krankenhäuser gebracht werden. „Das war ein traumatisches Erlebnis“, erklärte Gert Jakobsen, Informationschef von DFDS-Seaways, der dänischen Reederei des unter litauischer Flagge fahrenden Schiffs.
Mehrere Explosionen auf dem Autodeck sind nach Erkenntnissen der Behörden vermutlich auf die Treibstofftanks der Fahrzeuge zurückzuführen. Einen Terroranschlag schloss das Kieler Innenministerium ausdrücklich aus. Unklar blieb zunächst, ob womöglich ein Gefahrguttransport zumindest mitverantwortlich für die erste Explosion und die rasche Ausbreitung des Feuers war.
Wiederum Glück im Unglück war, dass der Brand auf dem offenen Deck ausbrach. Seesicherheitsexperten warnen davor, dass eine Lkw-Ladung im Rumpf eines Schiffes explodieren könnte. Sie kritisieren, dass Gefahrengut- und Lkw-Transporte auf normalen Passagierfähren stattfinden und fordern eine Trennung. Reeder sagen aber, dass das viele Fährlinien unwirtschaftlich machen oder die Passagen deutlich verteuern würde.
Auch die Umwelt scheint noch einmal Glück gehabt zu haben. Die nahezu ausgebrannte „Lisco Gloria“ lag am Sonntag sicher verankert vor der dänischen Insel Langeland, ohne dass bis dahin Treibstoff ausgetreten war. Vorsichtshalber war die dänische Seesicherheitsbehörde mit Ölbekämpfungsschiffen vor Ort.
Der Brand auf der 2001 auf einer Werft im polnischen Stettin gebauten und seit 2003 auf der Route zwischen Kiel und Klaipeda eingesetzten „Lisco Gloria“ gehört zu den schwersten Unglücken mit einer Ostseefähre. Weniger glimpflich verliefen der Untergang des Fährschiffs „Estonia“ am 28. September 1994, bei dem 852 Menschen starben, und das Kentern der „Jan Heweliusz“ vor der Insel Rügen am 14. Januar 1993, bei dem 54 Menschen ums Leben kamen.