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Archiv-Artikel

PDS-Boygroup verliert ihre Fans

In der PDS mehrt sich nach der Wahlniederlage die Kritik an der jungen Führungsriege um Landeschef Lederer. Abgeordneter fordert personelle Konsequenzen – und einen Krisenparteitag außer der Reihe

von ULRICH SCHULTE

In der PDS wird nach der Wahlschlappe der Ruf nach Rücktritten laut. Der PDS-Abgeordnete Wolfgang Brauer sagte gestern der taz: „Die Personen, die für den Kurs verantwortlich sind, mit dem wir bei der Wahl so offensichtlich gescheitert sind, sollten Konsequenzen ziehen.“ Einzelne Namen wollte Brauer nicht nennen. Er fordert einen Landesparteitag vor Koalitionsgesprächen mit der SPD, damit die PDS-Basis in die Frage der Regierungsbeteiligung mit einbezogen wird. „Es geht um einen Richtungswechsel der Partei. Die Entscheidung kann weder die Fraktion noch irgendein Führungszirkel allein treffen.“

Brauer, der kulturpolitische Sprecher der Fraktion, gehört zu einer kleinen Gruppe von Abgeordneten, die nach den Stimmenverlusten bei der Wahl für sofortige Opposition plädieren – die große Mehrheit steht hinter den Sondierungsgesprächen. Bereits Anfang Oktober will die SPD mit einem Partner die Koalition verhandeln. Brauers Kritik zielt auf Wirtschaftssenator Harald Wolf, Landeschef Klaus Lederer und Fraktionschef Stefan Liebich. Die junge Führungsriege stand im rot-roten Bündnis für einen pragmatischen Regierungskurs.

Liebich nimmt den Angriff gelassen: „Jetzt alles hinzuwerfen, wäre nichts weiter als ein symbolischer Akt – das ist nicht meine Auffassung von Verantwortung.“ Er klebe nicht an seinem Posten, so Liebich. Allerdings müsse erst inhaltlich, dann über Personen diskutiert werden. Eine große Mehrheit der Fraktion hatte am Dienstag beschlossen, ihren Vorstand vorerst im Amt zu lassen – und die Wahl auf Mitte Oktober zu verschieben. Die Überlegung, den für Ende Oktober geplanten Parteitag vor mögliche Koalitionsgespräche zu ziehen, ist für Liebich nicht abwegig: „In besonderen Zeiten müssen manchmal besondere Maßnahmen her – da bin ich ganz offen.“ Die Entscheidung darüber wird am Montag der Landesvorstand treffen.

In der Partei wächst das Bedürfnis nach Diskussion. Während sich gestern Abend die Parteispitze mit Landes- und Bezirksabgeordneten zu einem Strategietreffen im Abgeordnetenhaus traf, beriefen die Bezirksverbände Basiskonferenzen ein. „Unsere Wähler und Mitglieder schreien nach einer gründlichen Analyse“, sagt Heide-Lore Wagner, die Bezirksvorsitzende von Marzahn-Hellersdorf. In der PDS-Hochburg hat die Partei in manchen Wahlkreisen bis zu 30 Prozentpunkte der Zweitstimmen verloren.

Nächste Woche gehen die Sondierungsgespräche in die zweite Runde. Am Dienstag treffen sich SPD und PDS, bereits am Montag sitzen SPD und Grüne zusammen. PDS-Landeschef Klaus Lederer fordert von der SPD für eine Neuauflage von Rot-Rot „linke Akzente“ in der Bundespolitik, etwa beim Mindestlohn, der Steuerverteilung oder bei der öffentlichen Beschäftigung.