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Archiv-Artikel

Im Kinderparadies

Ein Magazin, das Mütter beruhigt: Du bist nicht die einzige, die sich überfordert fühlt. Seit 40 Jahren berät „Eltern“ in Sachen Stillen und Zahnen – und hat dabei familienpolitisch einiges bewegt

VON ANJA MAIER

Es verhält sich ja so: Sehr spezielle Probleme bedürfen der gezielten Beratung. Zum Beispiel Fragen zum Anlegen eines Schattengartens. Da hilft Mein schöner Garten zu 2,90 Euro. Geht es hingegen um das korrekte Aufbrechen eines erlegten Rehs, zieht der Waidmann das Fachblatt Jäger (11,50 Euro) zu Rate. Und was ist, wenn nach der Geburt die frische Dammnaht der Mutter nicht verheilt? Ganz einfach, 2,70 Euro zum Kiosk tragen, Eltern kaufen, Seite 59 aufschlagen, da steht’s: „Legen Sie sich, sooft es geht, ohne Höschen ins Bett, am besten auf ein dickes Handtuch (wegen des Wochenflusses).“

Wie gesagt: spezielle Probleme. Wochenfluss, Milchstau, postnatale Depression, das alles möglichst im „Höschen“, nicht im kochfesten Schlüpfer – seit vierzig Jahren schon berät die Zeitschrift Eltern Eltern in derlei Fragen. Wobei „Eltern“ eigentlich Mütter meint, Väter kommen in dem Heft aus dem Hause Gruner + Jahr so gut wie nicht vor. Unverdrossen lächelt auch im Jubiläumsheft Nina/Myrthe/Amelie vom zupackenden Arm der Mutter. Die wiederum schmunzelt ganz relaxt. Ganz selten ist auch mal der Vater zu sehen. Und wenn, dann auf Seite 42 schlafend neben dem Gitterbett.

Bloß keine Augenringe

Macht denn Kinderkriegen und -haben derart glücklich und entspannt? Marie-Luise Lewicki, Eltern-Chefredakteurin, sagt: „Grundsätzlich macht Kinderhaben glücklich, ja.“ Klar, Mütter und Väter hätten Krisen und Probleme, „aber die bilden wir eher textlich ab, ungern auf Fotos. Mütter mit Ringen unter den Augen wollen unsere Leserinnen nicht sehen.“ Die Erfahrung zeige: Schon wenn das Baby auf dem Titelblatt „nicht zu hundert Prozent strahlt“, wirke sich das auf den Verkauf aus, so die 46-Jährige.

Eltern-LeserInnen wollen das eigene Erziehungsprojekt als Erfolg gespiegelt sehen. Vielleicht auch deshalb bleibt das Heft die Lebenshilfe für nur eine Saison, die etwa bis zum Kita-Alter eines Kindes dauert. In dieser Zeit hat eine Mutter, wie gesagt, eher spezielle Probleme: Dreimonatskoliken, Milchschorf oder die Angst, der fitte Praktikant aus der Firma könnte in anderthalb Jahren am eigenen Schreibtisch sitzen. Entgegen gängigen Glücksversprechungen nämlich verläuft so eine Elternzeit oft wie unter Drogen: Schlafentzug, Übergewicht und sexuelle Lustlosigkeit sind da noch kleinere Übel. Schwerer wiegt schon die bittere Erkenntnis, dass selbst das gesündeste Wunschkind macht, dass sich Mütter und Väter hilflos, einsam, mitunter panisch fühlen, wenn nachts um halb drei ein zehn Monate altes Baby von Fieberkrämpfen geschüttelt wird, wenn es einfach nur noch schreit und man sich fragen muss, ob man überhaupt die Verantwortung tragen kann für eine derart gefährdete Portion Mensch.

Das sind dann die großen Augenblicke von Eltern. Weil sich hier die Autorinnen nicht zu schade sind, über die Entwicklungsverzögerungen der eigenen Kinder zu schreiben („absolut freiwillig“ übrigens, wie Lewicki betont). Weil Eltern ehrlich ist, wenn es um Momente unterdrückter Aggressivität geht oder den Hass auf die Tagesmutter. Weil klar wird: Du bist nicht die Einzige, die sich überfordert fühlt. Es gibt Hilfe, und zwar am Kiosk. Schau mal auf Seite 83 nach, was Erziehungsberater Hans Grothe zum Thema „Was Kinder stark macht“ schreibt, lies auf Seite 38 die Familienreportage, wie Familie Riegraf mit ihrer kleinen Tochter klarkommt. Und wenn du dich abgeregt hast, kochst du das Sammelrezept „Spaghetti mit Thunfischsauce“ von Seite 197.

Weg mit dem stillen Stuhl

Eltern kann sich diese Gelassenheit leisten – die Zeitschrift hat in vierzig Jahren einiges erreicht. Erfolgreich hat sie dafür geworben, dass Väter mit in den Kreißsaal kommen, und hat sich für den schulfreien Samstag eingesetzt. Heute sind das Selbstverständlichkeiten. Was kommt als Nächstes? „Unser neues Schwerpunktthema wird Gewalt in der Erziehung sein“, sagt die Chefredakteurin, „die Ohrfeige, der so genannte stille Stuhl – das sind Methoden, die wir strikt ablehnen.“ Klar, dass Eltern in dieser Frage ihre Deutungshoheit geltend machen will, schließlich hat das Blatt schon in den 70er Jahren klargestellt, dass der berühmte „Klaps“ absolut verboten gehört. „Da wird wieder absoluter Gehorsam salonfähig, und wohin der führen kann, wissen wir ja wohl alle“, erklärt Lewicki.

Mit Eltern erreicht Gruner + Jahr den „mittleren Teil der Bevölkerung, Eltern mit Realschulabschluss oder Abitur“, sagt Marie-Luise Lewicki. „Die Unterschicht kauft einfach keine Zeitungen, da wird eher die Super Nanny geschaut.“ Die Super Nanny ist der Feind. Das ist die mit dem stillen Stuhl, mit den gewalttätigen Kindern und Eltern, die aus dem Fernseher in deutsche Kinderzimmer einfallen. Eltern setzt da höhere Maßstäbe. Auf www.eltern.de treffen sich die Vernetzten, jeden Monat eine halbe Million Mütter, Väter und Großeltern, und diskutieren Themen, die in der Printausgabe eher am Rande stattfinden: „Allein mit Kind“, „Retortenbabys auf Staatskosten“, „Verhütungsmethoden“. 500.000 Zugriffe im Netz bei 360.828 verkauften Exemplaren – wird da das Online-Kind langsam zur Konkurrenz der Print-Eltern? „Natürlich nutzen junge Eltern das Internet“, sagt Lewicki, „deshalb setzen wir darauf, auch dort eine verlässliche Marke zu sein.“ Ebendiese Verlässlichkeit zahlt sich dieser Tage in klingender Münze aus. Die gerade erst aufgelegte Eltern-Edition mit Kinderbuchklassikern, Hörbüchern und DVDs hat sich aus dem Stand 300.000-mal verkauft.