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Archiv-Artikel

Schnelles Ende für Polens Regierung

Statt Stabilität gab es nur Dauerkrach: Nach nur zehn Wochen ist Jarosław Kaczyńskis rechte Regierungskoalition gescheitert. Die Kaczyński-Zwillinge wollen nun die Partei des populistischen Bauernführers Lepper spalten. Opposition fordert Neuwahlen

AUS WARSCHAU PAUL FLÜCKIGER

„Das Maß ist voll; so lässt es sich nicht weiterregieren“, wetterte Polens Premier Jarosław Kaczyński am späten Donnerstagabend entnervt und bat seinen Bruder, den Präsidenten, den radikalen Bauernführer Andrzej Lepper von sämtlichen Funktionen zu entbinden. Unmittelbarer Anlass von Kaczyńskis Wutausbruch war ein Streit um den Staatshaushalt 2007 im Sejm, der großen Kammer des polnischen Parlaments. Lepper hatte zuvor trotz massiver finanzieller Zugeständnissen der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) immer mehr Geld für seine Klientel gefordert. Vor den Medien ließ er am Donnerstagabend durchblicken, seine Samoobrona (Selbstverteidigung) würde das Budget andernfalls nicht unterstützen.

„Lepper hatte eine Chance, doch diese Lahmarschigkeit werden wir nicht tolerieren“, wetterte Kaczyński ausgerechnet über jenen Partner, den er vor zehn Wochen noch als Stabilitätsfaktor für Polen gepriesen hatte. Unfähig, ihre umstrittenen Gesetzesvorlagen durchs Parlament zu boxen, hatten sich Polens Rechtskonservative Anfang Juli auf eine Koalition mit Leppers populistischer Samoobrona und der rechtsradikalen Polnischen Familienliga (LPR) eingelassen. Doch während die LPR bei fast allem brav mitmachte, stellte sich der Volkstribun Lepper immer wieder gegen die eigene Regierung und die unumstrittene Führerschaft Kaczyńskis. Erst Anfang der Woche kritisierte er etwa den polnischen Afghanistaneinsatz mit massiven Tönen. Hintergrund sind die Lokalwahlen Mitte November, aber auch Leppers Ambitionen bei den Präsidentschaftswahlen von 2009.

Mit dem Rausschmiss Leppers verlieren die Kaczyńskis allerdings wieder ihre Mehrheit. Bereits in der Nacht zum Freitag soll die PiS deshalb versucht haben, mehrere Samoobrona-Abgeordnete mit finanziellen Ködern zum Fraktionswechsel zu bewegen. Am Freitagvormittag zeigte sich Polens Premier optimistisch, dass sich seine Koalition auch ohne Lepper weiterführen lasse. Bereits 14 Samoobrona-Abgeordente hätten Lepper verlassen, hieß es bei der PiS. Seinen bisherigen Vizepremier und Landwirtschaftsminister Lepper hatte Zwillingsbruder Lech bereits am früheren Morgen entlassen. Präsident Lech Kaczyński setzte bei der Gelegenheit auch die ehemalige, parteilose Finanzministerin Zyta Gilowski wieder in ihr Amt ein und entließ ihren Lückenbüßer für ein paar Wochen Stanislaw Kluza. Gilowska war über einen angeblichen Geheimdienstskandal gestolpert, der sich vor Gericht als gegenstandslos erwies.

Unklarheit herrschte am Freitag noch über die beiden weiteren Samoobrona-Minister. Arbeitsministerin Anna Kalata hat angekündigt, Lepper in die Opposition zu folgen; Bauminister Antoni Jaszczak hat bisher einen Rücktritt abgelehnt. Lepper selbst kündigte an, alle Minister abzuziehen. Allerdings sind für viele Samoobrona-Abgeordnete die Abgeordneten- und Ministergehälter wichtiger als die Parteizugehörigkeit.

Laut Kaczyński will sich die PiS nun aber erst einmal „ein paar Tage Zeit geben“, um eine neue Regierungskoalition zusammenzuschustern. Willkommen wäre dabei plötzlich wieder die von den Kaczyńskis gerade noch angegriffene deutsche Minderheit – immerhin zwei loyale Abgeordnete. Die PO fordert allerdings wie laut ersten Umfragen auch eine Mehrheit der Polen vorgezogene Neuwahlen. „Es hat keinen Sinn, diesen allumfassenden Wahnsinn fortzuführen“, sagte der PO-Fraktionschef Jan Rokita. Für den 7. Oktober hat die liberale Opposition landesweite Proteste angekündigt.

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