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100 Prozent Ärger wegen 1 Prozent Beitrag

Mit der Deckelung des Kassenzusatzbeitrags haben Merkel und Beck sich in ein Dilemma manövriert

BERLIN taz ■ Im Zentrum der Koalitionskrise dieser Woche steht ein einziges kleines Prozent. An der „Ein-Prozent-Überforderungsklausel“ hängt derzeit die ganze Gesundheitsreform. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck sagten gestern nicht, wie sie aus dem Dilemma herauskommen wollen, in das sie sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Juli manövriert haben.

Damals einigten sich die Koalitionsspitzen darauf, dass die gesetzliche Krankenversicherung ab 2008 komplett umgebaut wird. Die Kassenbeiträge sowie ein Zuschlag aus dem Steuertopf sollen in einen „Fonds“ fließen. Aus diesem Fonds bekommen die Krankenkassen Pro-Kopf-Pauschalen. Diese werden dank Risikostrukturausgleich mit Zu- oder Abschlägen versehen, die wie bisher die Kosten für Alter und Geschlecht sowie dann auch für schwere Krankheiten der Versicherten abbilden sollen. Kommen die Kassen mit diesen Pauschalen nicht aus, müssen sie Zusatzbeiträge nehmen. Um soziale Härten zu vermeiden, werden diese Zusatzbeiträge gedeckelt: Ein Prozent vom Haushaltseinkommen dürfen sie nicht überschreiten.

Ein Beispiel: Für eine AOK-versicherte Rentnerin mit 800 Euro Rente würde der vom Gesetzgeber festgelegte Kassenbeitrag in den Fonds abgeführt – zum Start des Fonds sind das vielleicht 15,5 Prozent, also 124 Euro. Die AOK hat jedoch ein Geldproblem. Auch der erweiterte Risikostrukurausgleich fängt die hohen AOK-Ausgaben für Alte und Kranke nicht auf. Deshalb nimmt sie von der Rentnerin einen Zusatzbeitrag, der dank der Ein-Prozent-Deckelung bloß 8 Euro beträgt.

Mit dem gedeckelten Zusatzbeitrag haben Merkel und Beck sich jedoch in eine Zwickmühle begeben. Mit der Konstruktion von Fonds und Risikostrukturausgleich zwingen sie die AOK mit ihren rund 35 Prozent aller gesetzlich Versicherten, einen Zusatzbeitrag zu erheben. Weil die AOK-Versicherten aber eher arm sind, werden deren Zusatzbeiträge nicht ausreichen, um die AOK zu stabilisieren. Zur Erinnerung: Die ganze Reform dient der Stabilisierung der Kassenfinanzen. Unterm Strich heißt das: Mit einer Ein-Prozent-Deckelung funktioniert der ganze Fonds nicht. Ohne Deckel gibt es soziale Härten.

Merkel und Beck sagten gestern, es müsse eine „praktikable“ Lösung geben – aber Beck betonte auch, das eine Prozent stehe. Ein gesichtswahrende Lösung steht aus: Noch ein Zusatzbeitrag? Oder eine Befristung der Ein-Prozent-Klausel?

ULRIKE WINKELMANN

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