: Airbus in schweren Turbulenzen
Umweltschützer wollen Erweiterung des Hamburger Airbuswerks vor Gericht stoppen, wenn der Riesenjet A380 nicht mehr an der Elbe gebaut wird. Am Freitag will der Konzern darüber entscheiden. Massive Folgen für alle Standorte im Norden drohen
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die Airbus-Produktion in Norddeutschland ist in Turbulenzen geraten. Denn die Anzeichen verdichten sich, dass die sechs Standorte zwischen Elbe und Jade erhebliche Anteile an der Herstellung des Riesenjets A380 verlieren. Im schlimmsten Fall würde die Produktion aus dem Hauptwerk Hamburg-Finkenwerder abgezogen – die Folge wären massive Einschnitte beim Personal in der Hansestadt sowie ein Kapazitätsabbau in den fünf anderen Werken in Bremen und Niedersachsen (siehe Kasten).
Die IG-Metall Küste will in diesem Fall eine Krisensitzung des Aufsichtsrats von Airbus Deutschland Anfang Oktober verlangen. Es gebe „kein Problem der Beschäftigten“, sagt ihr Sprecher Daniel Friedrich, „sondern ein Managementproblem“.
Am Freitag will der neue Chef des Mutterkonzerns EADS, Christian Streiff, darlegen, wie die seit Monaten andauernde Zitterpartie beim größten europäischen Flugzeugbauer bewältigt werden soll. Als wahrscheinlich gilt, dass Produktionsabläufe für den A380 zusammengelegt werden sollen – in Frankreich. Indirekt hat Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) dieses Gerücht bereits bestätigt. Er werde sich „allen Versuchen widersetzen, Arbeitspakete aus dem A380-Programm von Hamburg nach Toulouse zu verlagern“, kündigte er kämpferisch an.
In diesem Fall stünde der Flugzeugproduktion im gesamten Norden der Sturzflug bevor. Als Erstes würden Umweltschützer vor Gericht einen sofortigen Baustopp für die Erweiterung des Hamburger Airbus-Werkes beantragen. Das erklärte die Obstbäuerin Gabi Quast, die in den vergangenen Jahren als Ikone des Widerstandes gegen die Ausbau-Pläne bundesweit bekannt geworden war, gestern gegenüber der taz.
Denn die kürzlich begonnene Verlängerung der Werkspiste in das Bauerndorf Neuenfelde und damit in Deutschlands größtes Obstbaugebiet Altes Land hinein hatten Konzern und Senat mit der Frachtversion des A380 und der Errichtung eines Auslieferungszentrums in Finkenwerder begründet. Eine Reduzierung dieser Vorhaben würde die Planfeststellungsbeschlüsse juristisch anfechtbar machen.
Zum erneuten Gang vor den Kadi entschlossen wäre auch Manfred Braasch, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die bisherigen Prozesse gingen verloren, weil die Gerichte „das Allgemeinwohl“ durch die versprochene Schaffung von Arbeitsplätzen bei Airbus höher einstuften als die Schutzinteressen der Anwohner. „Ohne A380 und ohne Auslieferung“, glaubt deshalb Braasch, „entfällt dieses Argument.“ Es könne nicht angehen, dass Airbus „den Begriff Allgemeinwohl beliebig runterdeklinieren darf“.
Grund für das Umdenken in der EADS-Zentrale sind technische Probleme beim A380. Die Auslieferung der ersten Maschine an Singapore Airlines wurde um ein halbes Jahr verschoben, zudem sollen pro Jahr deutlich weniger Jets produziert werden als geplant. Einen Großteil der Verantwortung dafür wird Airbus-intern der Hamburger Filiale angelastet. Dessen früherer Chef Gustav Humbert, zwischenzeitlich zum Vorsitzenden im Hauptwerk Toulouse aufgestiegen, musste deshalb bereits diesen Posten wieder räumen.
Branchenkenner entwerfen das Szenario, dass Hamburg für den Verlust des weltgrößten Passagierflugzeugs mit der Produktion des A320 entschädigt werden könnte. Dessen Verlagerung von Toulouse an die Elbe würde die Fertigung aller Klein- und Mittelstreckenjets des Konzerns in Hamburg konzentrieren. Allerdings wäre die Zuschüttung der ökologisch wertvollen Elbbucht Mühlenberger Loch für die erste, bereits abgeschlossene Werkserweiterung, für die Kleinjets nicht notwendig gewesen. Und die Verlängerung der Werkspiste auf die Obstäcker Neuenfeldes erst recht nicht.