: Transfair fördert Monokultur
betr.: „Fairer Handel“, taz-Thema vom 16./17. 9. 06
Das Thema Fairer Handel und Transfair ist etwas diffiziler; die Berichterstattung braucht zumindest eine kritische Ergänzung.
1. Die Zugangsbedingungen für Produktionsbetriebe in „Dritte Welt“-Ländern zum Transfair-Siegel sind von den Kosten und den Regeln her, die für eine zuverlässige Überprüfbarkeit der Betriebe durch die Zertifizierungsstelle FLO nötig sind, auf Bauernzusammenschlüsse (Gewerkschaften, Kooperativen, Dorfgemeinschaften) ausgerichtet, also Gemeinschaften, die eine gewisse Größe sowie schon etwas Erfolg haben (schon privilegiert sind). Wo dies nicht gegeben (arme und marktferne Gemeinschaften) oder staatlicherseits nicht erlaubt ist (China), gibt es keine Zertifizierungsmöglichkeit.
2. Während das transfairfähige Indien auf dem Weg zur Weltwirtschaftsmacht ist, sind zum Beispiel China (wegen verbotener Bauerngewerkschaften) und die Balkanländer, wo es bei der Armut nach dem Krieg interessante Projekte gibt, nicht zertifizierbar.
3. Wegen der hohen Kosten von Zertifizierung, Handel und Marketing ist der Faire Handel auf das Umsetzen von Großmengen angewiesen. Hierfür ist der Lebensmitteleinzelhandel interessant, um die Preise für die Verbraucher attraktiv zu halten. Dies ist nur mit einem preiswerten Standardprogramm realisierbar – eine Teefarm kann zum Beispiel hochwertige Spezialitäten und die teuren frühen Pflückungen in der Regel nicht mehr absetzen, ist aber vom Sortenspektrum her darauf angewiesen. So gibt Transfair keinen Anreiz, um gute Qualität abzusetzen. Solch ein Anreiz kann aber letztlich die Zukunft bestimmter Teeregionen garantieren.
4. Die Einkaufsstätten Bioläden und Dritte-Welt-Läden werden bei einer Fixierung auf Transfair-Siegelung das Nachsehen haben, da sie dann trotz höherwertiger Produktqualität in Konkurrenz mit Lidl & Co geraten. (Sie rücken bei der Berichterstattung nach hinten.)
5. Die Fixierung auf das Transfair-Siegel kann den Eindruck erwecken, dass Fairer Handel sinnvoller ist als Bioanbau. Konventionelle Fairtrade-Produkte sind bedeutend preiswerter als Bio-Produkte. Für Fairen Handel bekommt das Projekt vielleicht 10 Prozent Mehrpreis (allerdings nicht als Lohn). Bei Bio-Ware läge der Aufpreis bei ca. 20 bis 25 Prozent.
Unter Globalisierungsbedingungen wird der reine Faire Handel eine schlechtere Umweltbilanz haben als die reine Biozertifizierung. Beim Absatz von hohen Mengen konventionellen Transfair-Palmöls (für Faire Tensid-Herstellung) müssten Urwälder für neue Plantagen gerodet werden. Bei Bio-Palmöl ist die Gefahr zur Förderung ökologischer Monokultur (noch) nicht so groß. Deshalb ist der Transfair-Gedanke für Monoprodukte besonders kompatibel. Wie in dem Artikel über Granit beschrieben, würde eine wachsende Anzahl von „Fairen“ Steinbrüchen weiter die indische Landwirtschaft zerstören. Unter Umweltgesichtspunkten wären regionale Produkte zu einheimischen Preisen vorzuziehen. Zudem sind die Auswirkungen von Billigimporten (selbst bei 10 Prozent Aufschlag handelt es sich noch um Billigimporte) auf die regionale Wirtschaft zu berücksichtigen.
Trotz der Vorbehalte gegen die „gutmenschliche“ Darstellung: besser Transfair als gar nichts. Dennoch ist Transfair nur ein Baustein im gesamten ethischen Handeln des/der Einzelnen.
HEINZ-DIETER GASPER, URSULA STÜBNER, Köln
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