: „Es geht nicht um Designerbabys“
PRAXIS Der Mediziner Matthias Bloechle praktiziert die umstrittene PID. Ihr Ziel sei nur, tödliche Erbkrankheiten zu erkennen, sagt er
■ 47, ist Frauenarzt und Reproduktionsmediziner am Kinderwunschzentrum in Berlin. Er studierte in Marburg und an der FU Berlin, seine Facharztausbildung machte er an der Universitätsfrauenklinik der Charité und arbeitete dort in der Abteilung für Reproduktionsmedizin. 2006 zeigte er sich wegen Präimplantationsdiagnostik selbst an, der BGH sprach ihn frei.
taz: Herr Bloechle, Sie haben sich 2006 selbst angezeigt, weil Sie in Ihrer Kinderwunschklinik Präimplantationsdiagnostik (PID) durchführten und sich damit möglicherweise strafbar machten. Der Bundesgerichtshof hat Sie im Juli dieses Jahres frei gesprochen. Reicht Ihnen das als Rechtssicherheit?
Matthias Bloechle: Absolut. Seit August biete ich wieder PID an.
Wie oft?
Ein- bis zweimal im Monat, bei insgesamt 50 bis 60 künstlichen Befruchtungsbehandlungen. Die PID wird aber tendenziell weniger werden. Derzeit melden sich die aufgestauten Fälle.
Welche Menschen nehmen diese Leistung in Anspruch?
Es ist ein Irrtum, das seien die, die ihr Designerbaby kreieren wollten. Zu mir kommen Menschen mit einer Vorgeschichte. Sie hatten Fehlgeburten, Totgeburten. Oder ihre Kinder sind wenige Monate nach der Geburt an einer seltenen Erbkrankheit gestorben. Die meisten kommen mit genetischen Befunden von den vorbehandelnden Ärzten zu uns. Wir wissen, um welche Störungen es geht.
Und nur in diesen Fällen führen Sie PID durch?
Selbstverständlich.
Wenn Sie gebeten würden, den Embryo eines genetisch gesunden Paares auf mögliche Gendefekte durchzuchecken, um etwaige Behinderungen auszuschließen: Wäre das für Sie ethisch vertretbar?
Mit Verlaub, es gibt tausende genetischer Defekte, da kann man nicht blind irgendwelche Erkrankungen untersuchen. Rein technisch ist das nicht machbar. PID ist eine gezielte Diagnostik auf eine gezielte Erkrankung.
Trotzdem entscheiden Sie, welcher Embryo eingepflanzt wird.
Ich entscheide nicht darüber, was lebenswertes Leben ist und was nicht. Die Prämimplantationsdiagnostik gibt Auskunft darüber, was lebensfähig ist und was todgeweiht. Das ist der Unterschied zur Pränataldiagnostik im Mutterleib: Da sehen Sie plötzlich am Ultraschall, dass es ein Downsyndrom gibt, und dann müssen die werdenden Eltern entscheiden, ob das Kind, das prinzipiell lebensfähig ist, ausgetragen wird oder nicht.
Gibt es für Sie Grenzen der PID?
Neulich war jemand da, der wollte eine Geschlechtsbestimmung beim Embryo. Das lehne ich ab. Es sei denn, es läge eine medizinische Indikation vor für eine geschlechtsgebundene Erbkrankheit, die zum Tode führt.
Von dem Wunsch, das Geschlecht zu bestimmen, ist es nicht weit bis zu den blauen Augen und den blonden Haaren.
Auch das ist Unsinn, weil man Augen- oder Haarfarbe nicht an genetischen Merkmalen definieren kann. Es handelt sich dabei um multifaktorielle Abläufe. INTERVIEW: HEIKE HAARHOFF