: Schwarz-Rot Kiel spielt weiter zusammen
SPD und CDU in Schleswig-Holstein einigen sich über Verwaltungsreform und Naturschutz. Der innerkoalitionären Harmonie wird manch geleistete Arbeit geopfert. „Gewurstel“ und vertane Zeit erkennt darin die Opposition
Am Ende war dann alles gut: Zu später Stunde, doch wohlgemut, traten die Vertreter von Schwarz-Rot Kiel am Sonntag vor die Presse und erklärten, was nach vielstündigen Diskussionen zu erwarten war: Man habe sich geeinigt, die Probleme gelöst, gar „ein Stück Schulgeschichte geschrieben“, so Claus Möller, Vorsitzender der SPD im Land und turnusgemäß Vorsitzender des Koalitionsausschusses. Die Große Koalition bleibt also, die Streitereien um Naturschutzgesetz, Verwaltungsreform und Schulpolitik – jedenfalls die aktuellen – sind gelöst. Alles gut. Oder?
„Wenn ein Pferd und ein Esel sich paaren, dann gibt es ein Maultier, das sich nicht fortpflanzen kann“, fand die Vorsitzende des SSW im Landtag, Anke Spoorendonk, einen tierischen Vergleich. „Wenn die CDU und die SPD sich paaren, dann gibt es unfruchtbare Kompromisse.“
Die FDP sieht das ähnlich: „Halbgare Lösungen wären noch wohlschmeckend – die Sachen stehen noch nicht einmal auf dem Feuer“, sagte Fraktionssprecher Christian Albrecht, während der Landesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, „Gewurstel“ attestierte.
Um drei große Themen ging es: Schulpolitik, Naturschutz und die Reform der Verwaltungsstrukturen. Bei diesem Thema beschloss der Koalitionsausschuss, das bisherige Konzept zu kippen. „Eineinhalb verschenkte Jahre“, befand Habeck, und FDP-Mann Albrecht kritisiert: „In bewegten Zeiten ist überflüssige Arbeit bares Geld.“ Bislang hatte die Koalition die Verwaltungsaufgaben neu ordnen wollen, ohne die Strukturen von Gemeinden, Ämtern und Kreisen grundsätzlich anzutasten. Weil in Schleswig-Holstein nie eine Gemeindereform gewagt wurde, gibt es heute über 1.000 Dörfer in elf Kreisen, dazu vier kreisfreie Städte. Damit öffentliche Aufgaben effektiver erledigt werden können, sollte das Land in vier „Kommunale Verwaltungsregionen“ aufgeteilt werden. Innenminister Ralf Stegner (SPD) arbeitete an der Umsetzung dieses von beiden Seiten erdachten Konzepts. Am Sonntag beschloss nun der Koalitionsausschuss: Kommando zurück. Denn die CDU befürchtete eine neue Verwaltungsebene – mehr Bürokratie statt weniger.
Zwar hatte die CDU, vor allem Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, immer wieder beteuert, es gebe keine Fusion von Kreisen, und schon gar nicht unter Zwang. Nun soll die Zusammenlegung doch kommen – allerdings erst 2010. Zu spät, finden etwa die Grünen, die die Reform befürworten.
Geeinigt haben sich die Großen beim Naturschutzgesetz. Dabei fällt Grünen und SSW das Gleiche ein: „Eingeknickt“ seien die Sozialdemokraten, der Naturschutz werde „ausgehöhlt. Die SPD stimmt einem Gesetzentwurf zu, der Bundes- und EU-Recht ignoriert“, so die Grünen-Vorsitzende Marlies Fritzen. SPD-Landeschef Claus Möller hatte bereits am Sonntag geahnt, dass Umweltverbände protestieren würden. Anlass sieht Ingo Ludwichowski vom NABU durchaus: „Soweit wir bisher wissen, trägt das Gesetz deutlich die Handschrift der CDU.“
Einzelheiten werden heute bekannt: Die im Ausschuss ausgehandelten Kompromisse zum Schul- und Naturschutzgesetz werden am Kabinettstisch nochmals abgenickt und dann der Öffentlichkeit präsentiert. ESTHER GEISSLINGER
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