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Archiv-Artikel

Fortuna am Brett

Nach unerklärlichen Patzern von Wesselin Topalow führt Wladimir Kramnik im Kampf um die Schach-WM mit 2:0

BADEN-BADEN taz ■ „Erst vergibt Topalow einen Elfmeter, dann schießt er auch noch ins eigene Tor“, befand ein Experte nach der zweiten Partie der Schach-Weltmeisterschaft. Im kalmückischen Elista liegt Wesselin Topalow bei der mit einer Million Dollar dotierten WM-Titelvereinigung sensationell mit 0:2 gegen Wladimir Kramnik zurück.

„Ich war mit Fortuna im Bunde und habe glücklich gewonnen. So ist das Leben“, kommentierte der Moskauer seine Führung. Heute wird in der autonomen russischen Republik Kalmückien die dritte von maximal zwölf Partien zwischen den beiden 31-Jährigen ausgetragen. Topalow hatte schon im ersten Duell zu stürmisch attackiert. Trotz eines Bauern weniger spielte der Weltranglistenerste weiter aggressiv auf Gewinn.

„Das war eine Traumstellung für jeden Schachspieler. Ich konnte nach dem 40. Zug risikolos auf den vollen Punkt spielen“, bemerkte Topalow. Doch Kramnik habe sich „gut verteidigt“. Die Einladung seines Kontrahenten zur Zugwiederholung und einem Remis hatte der offizielle Weltmeister des Schach-Weltverbandes Fide mehrfach ausgeschlagen und dann noch die Begegnung in den Sand gesetzt.

Noch schlimmer patzte Topalow mit den weißen Steinen. Der in Spanien lebende Angriffsspieler attackierte Kramnik tollkühn. Im 29. Zug bot der Fide-Weltmeister ein geniales Damenopfer an, das der Russe wegen eines folgenden Matts in 16 Zügen nicht annehmen durfte. Das sah Kramnik noch. Doch zwei Züge später unterlief ihm ein Schnitzer. Mit einem Turmschach nebst einem Damenmanöver nach c7 wäre der Ausgleich perfekt gewesen.

Die von Computern in einer Sekunde erkennbare Variante entging Topalow, und fortan ließ der Fide-Champion immer mehr nach. Im 55. Zug verpasste er die letzte Chance auf ein Remis. Nach 63 Zügen streckte der Bulgare die Waffen. Mit betretener Miene flüchtete Topalow vom Ort der Schlappe. „Die Nerven werden bei einer solch hohen Anspannung strapaziert, dass man nach sechs Stunden durchaus mal patzen kann“, betonte der blendend gelaunte Kramnik schon nach dem Auftakt. Er weiß: Nach dem Rückstand wird Topalows Nervenkostüm nicht besser. HARTMUT METZ