Gesundes Gebiss hängt am Ort

UNTERSCHIEDE In Hamburg entscheidet der Wohnort über gesunde oder kranke Zähne. Es fehle an Präventionsmaßnahmen in armen Stadtteilen, kritisiert die Linksfraktion

VON ANNA VIDAL

An den Zähnen von Kleinkindern lassen sich Wohnort und Bildungsgrad der Eltern ablesen. Das haben Bundeszahnärztekammer und kassenzahnärztliche Bundesvereinigung festgestellt. Auch in Hamburg entscheidet der Stadtteil über gesunde oder kranke Zähne, wie die Antwort auf eine Große Anfrage der Linken jetzt ergab. „Besonders in sozial schwachen Stadtteilen brauchen wir mehr Präventionsmaßnahmen“, sagt Kersten Artus, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Insgesamt gingen die behandelten Kariesfälle seit 2004 zurück, trotzdem hat jedes zweite Kleinkind in Hamburg kranke Zähne. Besonders betroffen sind Fünf- bis Sechsjährige in den Bezirken Mitte und Harburg. In Mitte sind es 60,5 Prozent der Jungen und 54,8 Prozent der Mädchen. In Harburg oder Wandsbek sieht es ähnlich aus. In Altona oder Nord sind es zwischen 30 und 40 Prozent.

Ein Grund für die Unterschiede könnte auch in der Verteilung der Kinderzahnärzte liegen, die je nach Stadtteil deutlich variiert. Insgesamt gibt es in Hamburg 55 Zahnärzte mit dem Schwerpunkt Kinderzahnheilkunde. In den Bezirken Mitte, Bergedorf und Harburg sind es jeweils drei, in Altona sind es hingegen elf und in Wandsbek 18.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Hamburg e. V. (LAJH) bietet in Kindergärten, Kitas und Schulen Unterricht zu Zahnpflege und Vorsorge an. „Kitas in sozial schwachen Stadtteilen wollen und brauchen unsere Programme“, sagt ein Sprecher der LAJH. Dort fehle häufiger das Wissen um die richtige Pflege der Zähne. In besser situierten Stadtteilen habe die Prävention in den Kitas und Schulen keinen so hohen Stellenwert, „weil sich die Eltern selbst um die Zahnpflege ihrer Kinder kümmern“, so der Sprecher.

Diese Erfahrung machen auch die Ärzte, die mit dem Zahnpflege-Bus der Caritas in Hamburg unterwegs sind. In dieser mobilen Zahnarztpraxis wurden im vergangenen Jahr 2.267 Kinder aus sozial benachteiligten Familien versorgt. Viele ihrer Patienten bekommen häufig Schnuller und Nuckelflasche und das Zähneputzen komme zu kurz.

„Die Gesundheitsförderung muss offensiv auf die sozial schwachen Familien zugehen“, sagt Artus. Und Kinderärzte müssten besser mit den Hausärzten zusammenarbeiten. „Erkennt ein Arzt den schlechten Zustand der Zähne, muss er das Kind an einen Zahnarzt überweisen können“, fordert Artus. „Dies ist momentan nicht der Fall.“