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Archiv-Artikel

STREUBOMBEN: ZU VIELE DEUTSCHE INTERESSEN GEGEN EIN VERBOT Ein trojanisches Pferd im Bundestag

Die gute Nachricht: Morgen wird sich der Bundestag mit einem Antrag der Regierungsfraktionen befassen, in dem ein Verbot gefährlicher Streumunition gefordert wird. Damit bleibt das Thema auf der Tagesordnung. Seine völkerrechtliche Bedeutung wird anerkannt. Die schlechte Nachricht: Der Antrag ist ein trojanisches Pferd. Es steckt etwas ganz anderes darin, als sich flüchtig von außen erkennen lässt.

Die Formulierung „gefährliche“ Streumunition legt den Eindruck nahe, dass es auch eine weniger gefährliche Variante dieser Munition gibt. Das ist nicht der Fall. Streubomben machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kombattanten. Sie verteilen flächendeckend kleine Sprengkörper, so genannte Submunitionen, von denen viele erst Jahre später explodieren.

Zurückhaltenden Schätzungen zufolge liegt die Zahl dieser Blindgänger bei etwa 5 Prozent. SPD und Union verlangen jetzt deren Begrenzung auf 1 Prozent. Das reicht nicht, nicht einmal dann, wenn sich das tatsächlich kontrollieren ließe. Selbst 1 Prozent der nicht explodierten Submunitionen, die derzeit allein im Irak und in Afghanistan lauern, wären Zehntausende von Todesfallen. Das findet die Bundesregierung akzeptabel?

Internationale Definitionen des Kriegsvölkerrechts sind immer ein Kompromiss zwischen widerstreitenden Interessen. Die deutschen Interessen in diesem Zusammenhang sind vielfältig. Die Bundeswehr besitzt Streumunition. Deutsche Unternehmen sind über Tochterfirmen an der Produktion dieser Waffen beteiligt.

Die USA setzen Streubomben ein. Die Bundesregierung behauptet, eine internationale Ächtung dieser Munition wäre derzeit nicht durchsetzbar. Ist das so? Belgien versucht es wenigstens – sein Parlament hat ein umfassendes Verbot verabschiedet. Natürlich braucht es Zeit, bis ein solcher Schritt wirkt. Aber der Antrag der deutschen Regierungsfraktionen weist in die Gegenrichtung. Man tut so, als stelle man sich an die Spitze einer Bewegung – während man der Bewegung in Wahrheit die Spitze abbrechen will. BETTINA GAUS