: Tony Blair zu Labour: Wir sind das Volk
Britischer Premierminister begeistert Labour-Parteibasis mit seiner Abschiedsrede. „Unser Wählerstamm ist das ganze Land“, sagt er und stellt damit eine hohe Hürde für seinen Nachfolger bei den nächsten Wahlen auf. Wer das wird, sagt Blair nicht
VON RALF SOTSCHECK
Es war eine emotionale Abschiedsrede, die der britische Premierminister Tony Blair gestern auf dem Labour-Parteitag in Manchester hielt. Ja, es sei seine letzte Parteitagsrede als Parteichef, sagte er. „Man kann nicht ewig weitermachen“, sagte er. „Natürlich ist es schwer, loszulassen, aber es ist auch richtig, loszulassen.“ Einen Termin für seinen Rücktritt gab er auch diesmal nicht an.
Stattdessen erläuterte er seine Strategie für Labours nächsten Wahlsieg; es wäre der vierte in Folge, und das wäre „die einzige Hinterlassenschaft, die mir wichtig ist“, so Blair. „Wir haben uns über konventionelle politische Weisheiten hinweggesetzt und sie dadurch verändert“, sagte er. „Wir haben Ansprüche und Mitgefühl in Einklang gebracht, und wir haben wirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit nicht als tiefe Feinde, sondern als natürliche Partner gesehen. Das alles ist New Labour.“
Der Wählerstamm der Labour-Partei seien nicht die Innenstädte oder irgendwelche Lobbys, fügte er hinzu: „Unser Wählerstamm ist das ganze Land.“ Um die nächsten Wahlen zu gewinnen, die voraussichtlich in knapp drei Jahren stattfinden, müsse man den Mut aufbringen, „furchtlos zu sein, die richtigen Antworten zu suchen und dabei weit über die Parteigrenze hinaus zuzuhören und zu lernen, um das Land führen zu können“. Er selbst werde „helfen, eine geeinte Partei aufzubauen“.
Blair, der mit stehenden Ovationen gefeiert wurde, hat bisher noch keinem Nachfolger seinen offiziellen Segen gegeben, obwohl sein langjähriger Widersacher, Finanzminister Gordon Brown, schon lange als designierter Nachfolger gilt. Der hatte am Montag versucht, in seiner Parteitagsrede eine Versöhnung mit Blair herbeizuführen. Er bedauere, dass seine Meinungsverschiedenheit mit Blair die Partei und die Regierung „von den wesentlichen Dingen abgelenkt“ habe, sagte er: „Ich hatte das Privileg, mit und für den erfolgreichsten Labour-Premier aller Zeiten gearbeitet zu haben.“
Browns Versöhnungsversuch wurde jedoch von Blairs Frau Cherie Booth torpediert. Während Brown seine freundschaftlichen Beziehungen zum Premierminister pries, soll sie gemurmelt haben: „Das ist eine Lüge.“ Zwar bestritt sie das später, doch die Reporterin der Nachrichtenagentur Bloomberg, die den Satz gehört hatte, blieb bei ihrer Darstellung. Blair versuchte, die Sache durch einen Witz abzutun: „Wenigstens muss ich keine Angst haben, dass meine Frau mit dem Nachbarn durchbrennt“, sagte er gestern.
Brown erläuterte sein Regierungsprogramm, wenn er denn Blairs Nachfolge antreten sollte. Er wolle den Bezirksregierungen mehr Macht geben, eine schriftliche Verfassung einführen, das Recht zur Kriegserklärung dem Parlament überlassen und Immigranten zwingen, Englisch zu lernen. New-Labour-Architekt Peter Mandelson sagte, Gordon Brown habe „echte Tiefe“ und sei keineswegs so oberflächlich, wie einige meinten. Allerdings müsse er die „Stämme innerhalb der Labour Party vereinen“.