: Propaganda verteilt
Hochintelligent – und doch Neonazi: Gericht verurteilt 28-Jährige zu einer Haftstrafe auf Bewährung
Ruth B. ist eine intelligente junge Frau. In der Grundschule eine Klasse übersprungen, Abitur mit 1,0, Studium der Biochemie, Eins-nuller-Abschluss. Doch es gibt eine zweite Seite der 28-Jährigen: Sie gehört der rechtsextremen Szene an. Im Geschichtsunterricht wollte sie lieber die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Dresden thematisieren als die Juden, die in KZs vergast wurden; zu Hause sammelte sie Goebbels-Reden. Nach der Uni traf sie sich mit Rechten um den wegen Volksverhetzung verurteilten Horst Mahler. Gestern stand Ruth B. selbst wegen Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vor dem Kriminalgericht.
Im Juli 2005 war sie mit dem ebenfalls angeklagten René R. nachts in Spandau unterwegs, um Propagandazettel – so genannte Spuckis – zu kleben. Darauf Sprüche wie „Die Juden sind unser Unglück“ oder „NS-Verbot aufheben“. Sie stellten sich dabei nicht sehr schlau an: Bereits nach – von der Staatsanwaltschaft nachgezählten – 21 verklebten Spuckis wurden sie von einer Zivilstreife festgenommen. In Ruth B.s Rucksack fand man 200 weitere Propagandazettel.
Der Gerichtstermin war für sie nicht das erste einschlägige Verfahren. Bereits im April 2005 wurde sie zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie an einer Schule rechte Flugblätter verteilt hatte. Und noch vor dem gestrigen Prozess schickte sie einen Brief ans Gericht, in dem sie sich über die in ihren Augen ungerechtfertigte Anklage echauffierte. Darunter setzte sie einen NPD-Stempel mit der Landkarte Deutschlands in den Grenzen von 1937.
Gestern zeigte sich die Angeklagte plötzlich einsichtig: Sie denke, dass die „Leute um Herr Mahler spinnen“, den Brief ans Gericht habe sie nur aufgrund schwangerschaftsbedingter „hormoneller Schwankungen“ geschrieben. Mit der Geburt ihres Kindes im August habe sich ihr Leben geändert. Unter Tränen berichtete sie dann von ihrem kürzlich verstorbenen Vater.
Die Tränen rührten den Staatsanwalt wenig: „Mir bleiben da einige Zweifel am Abnabelungsprozess.“ Anders die Verteidigung, die Ruth B.s „Intelligenzpotenzial für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ lobte und eine Abkehr vom rechten Gedankengut attestierte. Vom Richter kassierte die Arbeitslose eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. René R. kam wegen fehlender Vorstrafen mit 2.500 Euro Geldstrafe davon. Ruth B.s Verteidiger will sich nun um einen Job für seine Mandantin bei „Schering oder so“ kümmern. Konrad Litschko