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Archiv-Artikel

Linkspartei schmiedet Fünfjahresplan

Der heutige PDS-Sonderparteitag entscheidet, ob die Basis Koalitionsverhandlungen mit der SPD unterstützt. Die Bezirksvorsitzenden sagen ein klares Ja voraus – und wollen in einer Neuauflage von Rot-Rot mehr PDS durchsetzen

Die Disziplin der PDS-Basis ist legendär, und heute Abend könnte sie erneut den Beweis antreten: Die Parteiführung lädt 149 Delegierte aus den Bezirksverbänden nach Pankow, um sich deren Ja-Wort für mögliche Koalitionsverhandlungen mit der SPD zu holen. Und sie wird es voraussichtlich bekommen.

Denn mehrere Bezirksvorsitzende sagen eine klare Mehrheit für Verhandlungen voraus. „Es wird das deutliche Signal an die SPD geben, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, glaubt Thilo Urchs, PDS-Chef in Mitte. Man dürfe nicht „aus Prinzip“ die Tür zuschlagen. „Diese Einschätzung teilt die Mehrheit in den mitgliederstarken Verbänden im Osten der Stadt.“

Das Krisentreffen der Sozialisten ist der bisherige Höhepunkt der Analyse ihrer Wahlschlappe. Auf dem Parteitag, der um 18 Uhr mit einer Rede von Landeschef Klaus Lederer beginnt, will sich die PDS-Führungsriege der Rückendeckung ihrer Basis versichern. Die Zeit drängt, schon morgen gibt der SPD-Vorstand bekannt, ob die Sozialdemokraten mit den Grünen oder der PDS über ein Regierungsbündnis verhandeln.

Stimmen die PDS-Delegierten zu, könnte Klaus Wowereit der Partei eine Einladung schicken. Auch die Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des starken Bezirksverbandes Lichtenberg, Gesine Lötzsch, glaubt an ein positives Votum. „Bei uns ist die klare Mehrheit für Verhandlungen, wenn die Bedingungen stimmen.“ Ähnlich schallt es aus Treptow-Köpenick. „Der größere Teil der Delegierten wird sich für das Weitergehen entscheiden“, sagt Bezirkschef Uwe Doering.

Allerdings machen alle deutlich, wie entscheidend für sie eine klare PDS-Linie in einem Bündnis ist. „Wir brauchen knallharte Argumente für mögliche Verhandlungen“, sagt Heide-Lore Wagner, die Vorsitzende in Marzahn-Hellersdorf. Außerdem sei ein Votum für Verhandlungen „kein Freibrief für eine Regierungsbeteiligung“. Ihre Sicht teilen viele PDSler: Nicht der heutige Parteitag ist für ein rot-rotes Bündnis maßgeblich, sondern der, der nach den Verhandlungen einen Koalitionsvertrag absegnet. „Jedem muss bewusst sein, dass die Delegierten da genau den inhaltlichen Teil lesen würden“, so Doering.

Das ist ein Wink in Richtung Führungsriege. Die Bezirkschefs wollen mehr PDS bei einer Neuauflage von Rot-Rot – und melden bereits Forderungen an. Bei öffentlich geförderten, sozialversicherungspflichtigen Jobs, einem wichtigen PDS-Ziel, müsse schon „eine Zahl im deutlich vierstelligen Bereich“ herauskommen, fordert Lötzsch. Auch seien Studiengebühren tabu – und dürften nicht über den Umweg eines Studienkontenmodells eingeführt werden.

In einem Strategiepapier forderten mehrere PDS-Bezirkspolitiker zudem einen anderen Führungsstil. „Das Führungspersonal hat es nicht verstanden, die Potenziale kritischer Diskurse zu erkennen und sich diese Kritik konstruktiv zunutze zu machen.“ Während der fünf Jahre Rot-Rot habe „das reibungsarme Funktionieren der Koalition“ im Vordergrund gestanden, die PDS sei „zu wenig aus den ungeschriebenen Regeln eines hermetischen Parteiensystems ausgebrochen“, so das Papier. Gestern Abend entschied der Landesvorstand über seine eigene Empfehlung in der Verhandlungsfrage. Parteichef Lederer wollte sich dazu vor der Sitzung nicht äußern. ULRICH SCHULTE