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Archiv-Artikel

berliner szenen Das Alphabet der Stadt

U wie Uhlenhorst

Waldgeruch. Eine Totenstille mit gelegentlichem Insektenknistern. Die Hexenhäuschen in der Straße im Walde glänzen in sanierter Pracht. Die Blumenbeete in den Vorgärten sind gut angelegt. Die Fichten in den Brachen sind sehr hochgeschossen.

Uhlenhorst ist ein Nest am nördlichen Rand von Köpenick, es liegt an einer Ausfallstraße und der Tramlinie 62 nach Mahlsdorf. Es gibt Vogelkästen und Zaungespräche, auf der Erde liegen Haselnüsse verstreut, es gibt alte, aufgemöbelte Häuser und Straßen im Schatten der Bäume. Die Anwohner scheinen unsichtbar, aber nicht arm. Vorzugsweise lesen sie die Berliner Zeitung, zumindest lassen die vielen Zeitungsrollen – oder sagt man Zeitungsrohre? Kästen sind es jedenfalls nicht – darauf schließen. Vielleicht haben sie sich zurückgezogen, vielleicht mögen sie keine Menschen, die mit einem Notizblock durch ihr Viertel ziehen. Oder sie sind noch zum Arbeiten oder Einkaufen in der Stadt, denn Geschäfte gibt’s hier nicht.

Eulennester sind keine zu sehen. An einem Zaun warnt ein Schild: „Vorsicht Katze“. Irgendwo kräht ein Hahn, es ist fünf Uhr am Nachmittag. Im hinteren Eck der Pflanzgartenstraße, sie heißt völlig zu Recht so, parkt ein haselnussbrauner Audi 80. Eine schöne Kindheitserinnerung. Mein Onkel hatte ihn in Rot.

Es gibt zwei Gastronomien in Uhlenhorst. Das „Honky Tonk“ und gegenüber das „Eicheneck“, das „gepflegte Getränke“ und „Radlererfrischungen“ feilbietet. Am Ende der Straße Unter den Birken öffnet sich eine Neubauzone. Man könnte auch sagen: eine Ecke, in der sich Jungarchitekten austoben durften. Symmetrische Kästen in modisch dunklen Farben. Daneben Fertigbauklötze. Dahinter liegt dann nur noch der Wald. RENÉ HAMANN