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Rasantes Unentschieden

Obwohl Barcelona das Ausgleichstor erst in der 89. Minute gelang, ist Werder Bremen mit dem 1:1 gegen den Champions-League-Titelverteidiger zufrieden. Und Barca-Coach Frank Rijkaard erleichtert

AUS BREMEN FRANK HELLMANN

Es war kurz vor Mitternacht, als Frank Rijkaard nach Ruhe verlangte. Die offizielle Prozedur vor der Presse hatte der 43-Jährige gerade hinter sich, als der Trainer des FC Barcelona am Ende des langen Tunnels im Bauch der Südkurve des Weserstadions einen Mauervorsprung erspähte. Ideal für Rijkaards abruptes Verlangen. Mal eben hinsetzen und eine Zigarette rauchen. Der Fußball-Lehrer des Star-Ensembles allein mit seinem Glimmstängel, um nach diesem hochklassigen Champions-League-Spiel mit dem glücklichen Ausgleich für den Titelverteidiger durchzupusten. „Wir müssen mit dem 1:1 zufrieden sein“, hatte Rijkaard zuvor resümiert, „es ist keine einfache Gruppe.“

Und doch hat es sich in Gruppe A nach zwei Spieltagen schon so gefügt, wie es auch am Ende aussehen könnte: Chelsea und Barca, nach Dafürhalten von Werder-Sportchef Klaus Allofs derzeit „die besten Vereinsmannschaften der Welt“, vorn, dahinter Werder vor Levski Sofia, dem Gegner an den beiden Oktober-Terminen. Allofs war es ein ernstes Anliegen, trotz der Klasseleistung eine realistische Losung auszugeben. „Bei allem Ehrgeiz: Wenn nach solchen Spielen am Ende nur der dritte Platz herausspringt und wir im Uefa-Cup weiterspielen, kann man auch zufrieden sein.“

Auch Trainer Thomas Schaaf fand nach der rasanten Auseinandersetzung nur lobende Worte. „Es ist ein Unentschieden, das uns viel Kraft gibt.“ Direkt nach Spielschluss war er in die Kabine marschiert, um die Seinen ob des brillant herausgespielten Ausgleichstores von Lionel Messi in der 89. Minuten zu trösten. Dass Barca-Star Ronaldinho zum „Man of the Match“ gekürt wurde, empfand Schaaf als blanken Hohn. „Wir hatten Ronaldinho und Co. weitgehend unter Kontrolle: Ich hätte elf Spieler auf unserer Seite anzubieten gehabt.“ Allen voran den überragenden Naldo, den verbesserten Diego, den starken Frank Baumann, aber auch den Überraschungsgast des Abends Per Mertesacker. Dessen erster Einsatz nach überstandener Fersenoperation traf selbst Teamkollegen „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ (Tim Wiese) – erst am Morgen fällten Trainer und Spieler den spontanen Entschluss. „Ich habe ein leichtes Okay gegeben, der Trainer hat mich aufgestellt“, schmunzelte Mertesacker, „ein leichteres Spiel als gegen Barcelona gibt es doch nicht.“

Schaaf ging mit der Nominierung des Nationalspielers doppeltes Risiko. Denn bei Mertesacker, der am heutigen Freitag seinen 22. Geburtstag feiert, ist immer noch Vorsicht geboten: Der operierte Fuß schwoll nach dem Spiel wieder an, nach dem Match trug er vorsichtshalber Badelatschen. „Ich muss abwarten, wie ich die Belastung vertrage.“ Doch dass der 1,98-Meter-Mann im Verbund mit dem nicht minder imposanten Naldo auf lange Sicht das Abwehrproblem lösen dürfte, dafür ist der erste Beweis gebracht. Allerdings sah auch Mertesacker beim 1:1 nicht gut aus, bat jedoch um Nachsicht. „Wir hätten Messi vorher foulen sollen, aber selbst das ist nicht so einfach.“ Mertesacker möchte nun „die positiven Dinge festigen“. Botschaften, denen die sportliche Führung bei der gestrigen Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach tunlichst Nachdruck verlieh. „Ich habe viel Positives erkannt“, sagte Schaaf, „mit dem ich meine Mannschaft füttern kann, auch wenn die Beine schwer sind.“

Etwa dass seine neue erste Elf, in der Naldo und Diego die einzigen ausländischen Spieler waren, so geschlossen auftrat wie nie zuvor in dieser wankelmütigen Werder-Saison. „Wir haben uns endlich als eine Mannschaft präsentiert“, erläuterte Miroslav Klose, dem es ganz recht zu sein schien, dass an seiner Seite der unverbrauchte Aaron Hunt statt des schwerfälligen Ivan Klasnic stürmte. Hunt provozierte mit seiner Hereingabe nicht nur das Eigentor von Carlos Puyol (56.), sondern überzeugte über 90 Minuten. „Es gibt hier nicht nur zwei Stürmer, die zusammenspielen können“, widersprach Klose der verbreiteten Ansicht, der „K&K“-Sturm sei das alleinige stürmende Allheilmittel. Ergo: Für den Liga-Alltag glauben sich die Bremer nun dank neuen Selbstbewusstseins und frischer Kräfte auf dem richtigen Weg. Torwart Wiese kündigt bereits an: „Wenn wir so gegen Gladbach spielen, hauen wir die weg.“

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