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Archiv-Artikel

Mozart-Fan Schäuble freut sich zu früh

Der Bundesinnenminister bekommt viel Lob für seine Islamkonferenz. Doch der Plan, dass alle Teilnehmer gemeinsam die Oper „Idomeneo“ besuchen, ist geplatzt. „Das muss ich mir nicht antun“, sagt Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats

„Kunstfreiheit heißt nicht, dass man sich alles anschauen muss“

VON LUKAS WALLRAFF

So viel Anerkennung von allen Seiten hat Wolfgang Schäuble selten bekommen. Im Bundestag lobten den CDU-Innenminister gestern Redner sämtlicher Fraktionen dafür, dass er am Mittwoch zum ersten Mal eine offizielle „Islamkonferenz“ mit Politikern und Vertretern der Muslime in Deutschland veranstaltete.

„Das hätten wir uns schon von Ihrem Vorgänger gewünscht“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast mit einem Seitenhieb auf ihren früheren Kabinettskollegen Otto Schily (SPD). Auch der Linkspartei-Abgeordnete Hakki Keskin begrüßte die Konferenz als „Initiative zu einem interkulturellen Dialog“.

Auf besondere Begeisterung stieß eine Nachricht, die der Minister verkündet hatte – und die für große Schlagzeilen sorgte. Alle 30 Teilnehmer, so Schäuble, würden sich gemeinsam die Mozart-Oper „Idomeneo“ ansehen, wenn sie wieder aufgeführt werde. Dies sei „völlig einvernehmlich“ verabredet worden. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, hatte der taz berichtet, sein Vorschlag eines Opernbesuchs sei „einstimmig angenommen“ worden. Die vermeintliche Geschlossenheit der Konferenz wurde als tolles Zeichen gegen die Entscheidung der Deutschen Oper verstanden, die Mozart-Inszenierung aus Angst vor islamistischen Anschlägen aus dem Programm zu nehmen. Vertreter von Union, SPD und Grünen bekundeten Interesse, die Teilnehmer zu begleiten. „Vielleicht sind wir am Ende alle gemeinsam bei einer Theateraufführung“, freute sich Künast schon.

Doch daraus wird nichts werden. Schäubles Ankündigung erwies sich gestern als voreilig. Der Vertreter eines der größten Muslim-Verbände sagte bereits ab. Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats, erklärte, dass er sich die Opern-Aufführung auf keinen Fall ansehen werde. „Das muss ich mir nicht antun“, sagte Kizilkaya der taz. „Kunstfreiheit heißt nicht, dass man sich alles anschauen muss.“ Für ihn sei es „nicht zumutbar, eine Szene anzusehen, in der dem Propheten der Kopf abgeschlagen wird.“

Der Vorsitzende des Islamrats, dem unter anderem die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation Milli Görüs angehört, betonte, auch er finde es falsch, dass die Oper abgesetzt worden sei. Von einem einstimmigen Beschluss zum gemeinsamen Opernbesuch könne jedoch keine Rede sein, „auch wenn der Minister das gerne so hätte“. Kizilkaya räumte ein, dass er den Vorschlag auf der Konferenz nicht ausdrücklich abgelehnt habe. Das Thema Opernbesuch sei „erst ganz am Schluss der Veranstaltung“ zur Sprache gekommen, da habe es „nicht die Möglichkeit zu diskutieren“ gegeben. Kizilkaya betonte, insgesamt sei die Konferenz „etwas sehr Positives gewesen“. Dass Schäuble als erster Minister mit Muslimen statt über Muslime geredet habe, sei ihm „hoch anzurechnen“.

Kolat erklärte zu Kizilkayas Absage: „Auf der Konferenz hat er nichts dagegen gesagt.“ Der Oper fernzubleiben, sei „natürlich seine Entscheidung. Wenn er nicht kommt, ist das schade.“ Das Innenministerium lehnte eine Stellungnahme ab.