AUSZUG: Putzen mit Che
Niemand zieht gerne um, es sei denn, man zieht wie Herr Wulff unerwartet ins Schloss Bellevue oder dergleichen. Natürlich freut man sich, wenn es man es geschafft hat, eine Bruchbude loszuwerden, oder zufällig mit einem Sternekoch, einer Exhibitionistin und einem spendierfreudigen Millionär in eine 460-qm-WG ziehen darf. Aber erstens passiert so etwas eher selten, und zweitens ist der mit dem Umzug einhergehende Stress bei den Helfern ebenso unbeliebt wie beim Wohnungsbesitzer. Nur schleppen wäre ja noch in Ordnung, wenn man nicht auch noch putzen müsste.
Doch „wat mut, dat mut!“, und so schrubbte ich die Türrahmen mit einer äußerst ätzenden Chemikalie ab und suchte verzweifelt nach einem Wischtuch, denn der Dreck war zwar ab, aber das braune Wasser bildete schon wieder unansehnliche Tropfen. Wenn Vorbereitung alles ist, stehe ich auf verlorenem Posten. Man kämpft sich also durch das Chaos auf der Suche nach einem Wischtuch und wird fündig. Ein rotes Che-Guevara-Shirt landet in meinen Händen. Es muss Jahre her sein, dass ich es trug. Kurz entschlossen beginne ich das Dreckwasser mit dem Relikt aufzuwischen. Schließlich muss man sich von Dingen trennen können, und halb eingerissen ist es auch schon.
Tür um Tür wird nun geputzt, und „Che“ ist nur noch ein triefendes Etwas, voll Dreck und Chemie. Endlich fertig, setze ich mich auf einen Hocker und schnaufe vor mich hin. Das Gröbste ist vollbracht. Vor mir auf dem Boden liegt ein zerknautschter „Che“. Und nun rumort es im Schädel. Verdammter Mist, so abgebrüht, wie ich dachte, bin ich wohl doch nicht, immerhin haben das Shirt und ich – und vor allem Che viel durchgemacht. Wenige Sekunden später steh ich vor dem Waschbecken und weiche das T-Shirt liebevoll in einer Waschmittellösung ein. Hasta la victoria siempre! JURI STERNBURG
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