: Merkel will zur Gesundheit beisteuern
Die Bundeskanzlerin stellt in Aussicht, dass die Kassenbeiträge 2007 doch nicht erhöht werden – falls die Steuereinnahmen höher ausfallen als bisher erwartet. Bundesfinanzminister Steinbrück aber ist skeptisch. Er sieht „derzeit keine Spielräume“
VON HANNES KOCH UND ANNA LEHMANN
Angela Merkels Ankündigung, den Krankenkassen im nächsten Jahr zusätzliche Steuereinnahmen zufließen zu lassen, hat gestern Freude und Bedauern hervorgerufen. So unterstütze Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) grundsätzlich die Absicht der Kanzlerin, sehe aber derzeit leider keine Spielräume, sagte sein Sprecher, Torsten Albig.
Die Bundeskanzlerin hatte am späten Donnerstagabend in der Sendung „Berlin Mitte“ im ZDF gesagt, wenn die Steuereinnahmen höher als erwartet ausfielen, sei sie dafür, die Kürzung der Steuergelder für die Krankenversicherung zurückzunehmen. So sei es eventuell möglich, dass die Beiträge gar nicht steigen.
Erst im Frühjahr hatte die Bundesregierung beschlossen, den gesetzlichen Krankenkassen 4,2 Milliarden aus Tabaksteuereinnahmen schrittweise zu streichen. Deshalb fehlen den Kassen allein im nächsten Jahr 2,7 Milliarden Euro aus dieser Quelle. Hinzu kommen steigende Ausgaben wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Im Gegenzug hat die Koalition sich darauf verständigt, dass die Beiträge der Versicherten um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen. Dies steht zwar im Gegensatz zum erklärten Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken. Doch hatten Unionspolitiker, speziell die Ministerpräsidenten der Länder, verhindert, dass das Gesundheitswesen in naher Zukunft an den Steuertropf gehängt und von den Löhnen entkoppelt wird. Dieser Weg soll erst ab 2008 eingeschlagen werden, wenn der Staat mit 1,5 Milliarden Euro die Versicherung der Kinder bezuschusst. Wenn Spielräume existierten, dann könnten also noch vor diesem Zeitraum Steuermittel ins System fließen, bestätigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Ankündigung der Kanzlerin.
Anders als Merkels Chefsprecher verwies der Kommunikator des Finanzministeriums auf die schlechten Aussichten, zusätzliches Geld aufzutreiben. „Ich sehe jetzt keine Spielräume“, so Albig. Im Vergleich zur Steuerschätzung vom vergangenen Mai zeichne sich im Bundeshaushalt augenblicklich lediglich ein Plus von rund zwei Milliarden Euro ab – alles andere sei verplant. Dies reiche nicht aus, um große Summen in die Gesundheit zu investieren. Vorsicht sei auch geboten angesichts verschiedener Risiken im Haushalt, sagt Albig. So sei noch nicht klar, wie viel Geld der Bund zusätzlich für Hartz IV ausgeben müsse. Sollten tatsächlich größere Überschüsse zum Jahresende vorhanden sein, so Albig, werde Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sich gerne mit der Bundeskanzlerin über Steuerzuschüsse für die Krankenkassen unterhalten.
Freudig reagierten die SPD-Linke und die Krankenkassen. SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sagte gestern im Deutschlandfunk, sie begrüße den Vorschlag als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings löse das nicht die Kernprobleme in der Struktur des Gesundheitswesens.
Auch Krankenkassen sehen die Regierung nun auf dem richtigen Weg: „Nach der Entscheidung, den Beitragseinzug bei den Kassen zu lassen, ist dies der zweite Eckpunkt, bei dem sich die Regierung offenbar bewegt“, sagte ein Sprecher der Deutschen Angestellten Krankenkasse zur taz. Um die Beiträge stabil zu halten, benötigten die Krankenkassen kurzfristig etwa 7,7 Milliarden Euro.
Eine geringere Beitragserhöhung als angekündigt stellte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, in Aussicht. „Die Kassen rechnen mit leicht höheren Beitragseinnahmen und geringeren Ausgaben bei Medikamenten.“ Deshalb müssten sie den Spielraum von 0,5 Beitragspunkten vielleicht nicht ganz ausschöpfen.