: Der Blick der Anderen
ERINNERUNGSKULTUR Völkerkundemuseum arbeitet sein koloniales Erbe auf – als erstes in Deutschland
Sein koloniales Erbe will das Hamburger Museum für Völkerkunde erforschen lassen. Vom kommenden Sommersemester an werden Studierende der Universität die Sammlung durchkämmen, um dem auf die Spur zu kommen, was Völkerkundemuseen insgesamt so ambivalent macht: dem kolonialen Blick, wie er sich etwa auf den derzeit ausgestellten historischen Südsee-Fotografien zeigt. Oder auf den 26.000 Objekten, die der Ethnologe Leo Frobenius bis 1914 dem Museum verkaufte.
„Es ist höchste Zeit, diesen Teil der Vergangenheit aufzuarbeiten, denn Völkerkundemuseen haben ja stets das Interesse an Exotik bedient und zur Stereotypenbildung beigetragen“, sagt der Historiker Jürgen Zimmerer, der das Projekt leiten wird. Forschungsobjekt solle neben der konkreten Geschichte der Objekte auch die Interaktion zwischen Betrachter und Gegenstand sein, hieß es gestern bei der Vorstellung des Projekts. Mit diesem Vorgehen wäre das Hamburger Museum deutschlandweit Pionier.
„Der Blick des Anderen“ heißt das erste von zunächst zwei bis drei geplanten Seminaren. Münden sollen sie in eine Museums-App, die die Sammlung anhand von Beispielen kontextualisiert. „Im zweiten Schritt“, sagt Zimmerer, „möchten wir gemeinsam mit Studenten aus Tansania forschen, um den europäischen Blick noch stärker herauszunehmen.“
Ob die Recherchen zur Herkunft der Museumsgegenstände auch in der Befassung mit Raubkunst und Restitutionsfragen münden, kann Zimmerer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ausgeschlossen sei das aber nicht. PS