piwik no script img

Archiv-Artikel

Gute Jobkiller, böse Jobkiller

Geht es um Jobabbau in Deutschland, müssen hohe Verluste verkündet werden, gegen die nichts mehr helfe, außer eine Schließung

BERLIN ■ taz Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Ob eine Werkschließung oder ein massiver Stellenabbau für eine Firma zu einer Image-Katastrophe wird, hängt in Deutschland wesentlich von den Motiven ab, die dahinterstecken – beziehungsweise davon, welche Motive in der Öffentlichkeit ankommen.

Das belegen vier Beispiele aus den vergangenen Jahren: Zwei Unternehmen, die Deutsche Bank und die Deutsche Telekom, präsentierten praktisch gleichzeitig milliardenhohe Gewinne und Pläne für den Abbau von zehntausenden von Arbeitsplätzen. Aber nur eines davon, die Deutsche Bank, wurde deswegen heftig angegriffen und öffentlich abgestraft. Und zwei Unternehmen, Electrolux und General Motors, wollten jeweils ein großes Werk in Deutschland schließen. Aber nur eines davon, Electrolux, erlitt deshalb einen heftigen Image- und Umsatzeinbruch.

Was hat Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke im November 2005 besser gemacht als Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Februar 2005? Beide meldeten einen Milliardengewinn, und Ackermann kündigte die Streichung von 5.200 Arbeitsplätzen in Deutschland an, Ricke die von 32.000 Arbeitsplätzen innerhalb von zwei Jahren. Doch Ackermann musste nach seiner Ankündigung wochenlang Spießruten laufen und gilt bis heute als hässliche Fratze des Shareholder-Value-Kapitalismus. Ricke hingegen bekam zwar ein paar Trillerpfeifen-Töne auf die Ohren, aber keine Prügel in der Öffentlichkeit. Aus einem einfachen Grund – er hat gejammert. Ackermann begründete seine Streichungspläne mit dem Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, Ricke beschwor eine schwarze Zukunftsperspektive herauf: „Dramatische Umbrüche“ in der Telekom-Branche, nur weiterer Personalabbau könne den Konzern „zukunftssicher“ machen. Dafür erntet man als Chef in Deutschland Verständnis, und den Rest regeln geräuscharm Personalvorstand und Betriebsrat. Die Steigerung der Kapitalrendite als Selbstzweck eines Unternehmens erzeugt dagegen kurzfristig Unmut und langfristig ein Killer-Image. Möglicherweise hat die Deutsche Bank das bewusst in Kauf genommen, weil ihr die Meinung der globalen Kapitalmärkte wichtiger ist als die der Deutschen, aber sie zahlt eben einen hohen Preis dafür.

Ganz ähnlich stehen sich die Fälle von Electrolux und General Motors gegenüber. Der US-Autobauer drohte im Herbst 2004 mit der Schließung des Opel-Werkes in Bochum, der schwedische Hausgerätehersteller kündigte im Herbst 2005 das Aus für das AEG-Werk in Nürnberg an. In beiden Fällen gab es Streiks und Proteste, in beiden stand am Ende eine Einigung mit der Gewerkschaft – aber nur gegen Electrolux gab es eine Boykott-Kampagne. Und während Opel sich aus dem Umsatztal wieder herausgearbeitet hat, brach der Umsatz der Electrolux-Hausgeräte in Deutschland nach Angaben der IG Metall um 34 Prozent ein.

Auch hier war das Motiv für die Werkschließung entscheidend für das Etikett als guter beziehungsweise böser Jobkiller. Electrolux verkündete offensiv, die in Nürnberg zu teure Produktion ins billigere Polen zu verlagern, und wurde damit zum Symbol für die dunkle Seite der Globalisierung. General Motors hingegen vermittelte, tiefe Schnitte vornehmen zu müssen, um den Rest des Konzerns zu retten.

Die Schlussfolgerung für die PR-Strategen der Unternehmen: Wann immer es darum geht, in Deutschland Arbeitsplätze abzubauen, muss der Chef drohende Gewitter und hohe Verluste ausmalen, gegen die, leider, kein anderes Mittel mehr helfe, als die Schließung von Unternehmensteilen oder ein gravierender Jobabbau. Damit diese Strategie aufgeht, muss der Vorstand jedoch bereit sein, Alternativen zum Kahlschlag zu prüfen. Auch hier handelte das Opel-Management vorbildlich. Mit dem Betriebsrat wurde ein Sanierungspaket ausgehandelt, das zwar tausende Arbeitsplätze kostete, das Bochumer Werk aber erst einmal rettete. DETLEF GÜRTLER