Eine Fünf fürs Leben

Die Schülerdatei soll die Bildungskarriere archivieren. In NRW will bisher niemand diesen Datenkoloss

Leicht wird sie es nicht haben: Noch gibt es die Schülerdatei gar nicht, schon dreschen alle auf sie ein. Lehrer, Eltern, Datenschützer. Dabei wurde sie als Rettung des undurchsichtigen Bildungssystems verkauft.

Geboren wurde die Idee für die Datei vergangene Woche auf der Kulturministerkonferenz. Die Kultusminister wollen alle 12 Millionen Schüler in einer bundesweiten Datei erfassen. Jeder einzelne soll mit einer Schüler-Identifikationsnummer, kurz Schüler-ID ausgestattet werden. Noten, Schulwechsel, Fehlstunden soll die Schülerdatei erfassen und zwar - und das ist neu - für die gesamte Schullaufbahn.

Die Kultusminister wollen so die Bildungswege der Schüler besser nachvollziehen - und Probleme besser erkennen: Welche Schwierigkeiten gibt es etwa beim Schulwechsel von einem Land ins andere, oder von Schulform zu Schulform?

Aber die Datei soll nicht nur Informationen zum Bildungsverlauf speichern, sondern auch erfassen, aus welchem Land die Eltern kommen oder welche Sprache am Frühstückstisch gesprochen wird.

Und genau hier setzt die Kritik von Datenschützern und Lehrern an. Würde die Schülerdatei in NRW umgesetzt wie geplant, könne die Anonymität der Schüler nicht gewahrt werden, befürchtet die Sprecherin der Datenschutzbeauftragten in NRW, Bettina Gayk. Es gibt aber auch rechtliche Probleme: „Eine bundesweite Datei ist gar nicht möglich, denn Schulstatistik ist zunächst einmal Ländersache.“

Auch Andreas Merkendorf vom Lehrerverband NRW ist kein Freund der Datei: „Es ist doch gefährlich, wenn etwa irgendwo gespeichert wird, dass Michael Huber in der 10. Klasse 200 Fehlstunden hatte und in Mathe eine fünf.“ Wie Missbrauch verhindert werden kann und was die Datei kosten soll, wollen die Kultusminister bei ihrem nächsten Treffen beraten. Vieles scheint umstritten zu sein. Das Schulministerium in NRW hält sich bedeckt, ob es die Vorschläge überhaupt unterstützt. Die Verhandlungen seien ergebnisoffen.

Lehrervertreter Merkendorf jedenfalls hält die Datei für ein Kind der Pisa-Angst. „Immer wenn eine neue OECD Studie rauskommt, glauben die Bildungspolitiker, irgendwas machen zu müssen“. Wenn die Kultusminister in zwei Wochen weiter beraten, hat sich der Schock der letzten Pisa-Studie vielleicht gelegt – und die Debatte um den gläsernen Schüler sich erledigt.

MANFRED GÖTZKE