: Datenschutz: EZB hält sich für nicht zuständig
Seit Jahren können US-Behörden auf Bankdaten europäischer Kunden zugreifen. EU-Aufseher finden das nicht illegal
BRÜSSEL taz ■ Seit Herbst 2001 haben US-Behörden Zugriff auf Bankdaten hunderttausender europäischer Bürger. Die Elite der europäischen Bankenaufsicht war frühzeitig informiert und schwieg bis Juni, als Journalisten den Skandal aufdeckten. Die Daten stammen von der Gesellschaft für weltweiten Finanzdaten-Austausch (Swift), die ihren Sitz in Belgien hat. Ihr gehören mehr als 7.500 Bankhäuser und andere Finanzdienstleister in mehr als 200 Ländern an. Ein Datenschutzproblem? Ja, aber keines, für das sich die Europäische Zentralbank oder die Belgische Nationalpark zuständig fühlen, die im Kontrollausschuss von Swift vertreten sind. Das ist das Ergebnis einer Anhörung, die gestern im Europaparlament stattfand.
Swift speichert bei jeder Auslandsüberweisung, für die ein Kunde den Swift-Code benutzt, eine Sicherheitskopie des kompletten Datensatzes in der US-Filiale des Unternehmens. Dort hatten Beamte nach den Angriffen auf das World Trade Center eine Vorlageverfügung (subpoenas) vorgelegt, die das Unternehmen unter Strafandrohung verpflichtet, sämtliche gewünschte Daten an US-Sicherheitsbehörden herauszugeben.
Für das daraus entstehende Datenschutzproblem seien sie nicht zuständig, erklärten Jean-Claude Trichet, der Chef der Europäischen Zentralbank, und Peter Praet, Direktor der Belgischen Nationalbank, gestern. Ihre Aufgabe im Überwachungsausschuss sei es, die finanzielle Stabilität der Unternehmenspolitik zu kontrollieren. Praet sagte: „Da die US-Behörden versicherten, sie nutzten die Daten nur zur Suche nach Terrorverdächtigen, sahen wir die finanzielle Stabilität nicht bedroht.“ Trichet erklärte: „Ich sah es nicht als illegal an. Der Schutz persönlicher Daten fällt nicht in mein Mandat.“
Dem widersprach der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hüstinx. Seiner Auffassung nach hätte Trichet ihn oder die nationalen Datenschutzbehörden der betroffenen Länder unterrichten müssen. Da die EZB das Unternehmen Swift selbst nutze, um Zahlungen mit anderen Zentralbanken abzuwickeln, habe sie Daten ihrer eigenen Kunden wissentlich veruntreut.
Die meisten Abgeordneten reagierten fassungslos auf das fehlende Verantwortungsbewusstsein der Chefbanker. Der Liberale Alexander Alvaro fragte, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage dafür gebe, dass Swift ohne Einverständnis seiner Kunden systematisch deren Daten in der US-Filiale speichere, wenn dort offensichtlich der Datenschutz nicht gewährleistet sei. Ein britischer Abgeordneter wollte wissen, warum das Unternehmen seine Sicherheitskopien ausgerechnet jenseits des Atlantiks aufbewahren müsse. Die Antwort von Swift-Direktor Francis Vanbever: „Das machen wir schon immer so. Diese Kopie existiert seit 1979.“ Wie Trichet und Praet betonte auch der Swift-Chef wiederholt, er sei zur Vertraulichkeit verpflichtet. Deshalb könne er dem Parlament weder die Vereinbarung vorlegen, die Swift mit den Ermittlungsbehörden getroffen habe, noch die Ergebnisse interner Datenschutzprüfungen.
Schockiert zeigten sich Abgeordnete aus allen Fraktionen vor allem darüber, dass die Banker und Bankenkontrolleure mit Hinweis auf ihr Mandat jede persönliche Verantwortung ablehnen. Während sie den US-Behörden Diskretion garantierten, lag ihnen die Vertraulichkeit der ihnen anvertrauten Kundendaten deutlich weniger am Herzen.
DANIELA WEINGÄRTNER
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