: Burundis Frieden wird immer unfriedlicher
Mit systematischen Verhaftungen von Kritikern macht sich die neue demokratisch gewählte Regierung von Präsident Nkurunziza unbeliebt. Und nun stockt auch der Friedensprozess mit der letzten Hutu-Rebellenbewegung FNL
BRÜSSEL taz ■ Eigentlich sollte das Waffenstillstandsabkommen, das Burundis Regierung am 7. September mit der letzten noch kämpfenden Rebellenbewegung des Landes schloss, den Weg zu einem globalen Frieden öffnen. Burundi hätte das bitter nötig: 300.000 seiner sechs Millionen Einwohner sind im Bürgerkrieg seit 1993 ums Leben gekommen, und nachdem 2005 endlich eine gewählte Regierung unter dem früheren Hutu-Rebellenführer Pierre Nkurunziza an die Macht kam, brachte eine verheerende Dürre das Land an den Rand einer Hungersnot. Das Abkommen zwischen Präsident Nkurunziza und der kleinsten und radikalsten Hutu-Rebellengruppe FNL (Nationale Befreiungsfront) sollte die 1.500 bis 3.000 FNL-Milizionäre als letzte der vielen Bürgerkriegskämpfer des Landes in den Friedensprozess integrieren.
Doch einen Monat später gibt es erste Schwierigkeiten. Das gemeinsame Komitee von FNL und Regierung zur Überwachung des Waffenstillstands existiert immer noch nicht, und am Mittwoch vertagte der zuständige südafrikanische Vermittler Kingsley Mamabulo seine Gründung erneut. Grund: Von den zehn Namen, die die FNL für das Komitee vorgeschlagen hat, sind mehrere noch im Gefängnis.
Südafrika hatte enormen Druck ausgeübt, damit Regierung und FNL in den Waffenstillstand einwilligen. Bis zur letzten Minute gab es Unstimmigkeiten über die Integration der Rebellen in Armee und Verwaltung des Landes. Burundis Außenministerin Antoinette Batumbwira meint gegenüber der taz: „Es wäre ein Wunder, wenn von einem Tag auf den anderen kein Schuss mehr fallen würde in einem Land, das zwölf Jahre Krieg hinter sich hat. Viele Waffen sind im Umlauf; die Bevölkerung ist im Begriff sie abzugeben, aber nicht alle auf einmal.“
Die UN-Mission in Burundi geht davon aus, dass die FNL Zurückhaltung an den Tag legt, weil die neue Regierung Nkurunziza ein sehr repressives politisches Klima geschaffen hat. Ein Jahr nachdem Nkurunzizas „Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie“ (CNDD), einst die wichtigste Hutu-Rebellenbewegung des Landes im Kampf gegen die historisch dominante Tutsi-Militärelite, Wahlen mit rund 70 Prozent der Stimmen gewann, lebt das Land im Rhythmus von Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten. Die zweite Vizepräsidentin Burundis, Alice Nzomukunda, die wie der Staatschef zur CNDD gehört, trat kürzlich spektakulär zurück und denunzierte „Sicherheitsprobleme“ und „Gesetzesbrüche“, für die CNDD-Parteichef Hassan Radjabu verantwortlich sei. Der gilt als der eigentlich starke Mann der Regierungspartei, mächtiger als Staatschef Nkurunziza, und soll über seine guten Beziehungen zu muslimischen Ländern wie Sudan, Libyen und Saudi-Arabien an Einfluss gewonnen haben.
Ende Juni hatte Nkurunziza begonnen, seine zivilen Gegner unter dem Vorwurf von Putschvorbereitungen festnehmen zu lassen. Zu den Opfern gehört Nkurunzizas Vorgänger als Präsident, Domitien Ndayizeye, dessen einstiger Vize Alphonse Kadege sowie der Chef einer FNL-Abspaltung, Alain Mugarabona. Beweise für Putschvorbereitungen gibt es keine, dafür zahlreiche Berichte über Folter der Festgenommenen in der Haft.
Der Führer einer rivalisierenden CNDD-Fraktion, Leonard Nyangoma, musste in den Untergrund gehen, ebenso Alexis Sinduhije, Direktor des bekannten unabhängigen Radiosenders RPA (Radio Publique Africaine). Aloys Kabura, Korrespondent der amtlichen Nachrichtenagentur ABP in der nördlichen Stadt Ngozi, sitzt seit dem 31. Mai im Gefängnis, weil er in einer Bar die Regierung kritisierte. Am Mittwoch wurden die Chefredakteure der drei wichtigsten unabhängigen Radiosender des Landes von der Polizei vorgeladen.
In der Hauptstadt Bujumbura glaubt kaum jemand an den angeblichen Putsch; vielmehr wird vermutet, Präsident Nkurunziza wolle die öffentliche Meinung von den sich häufenden Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsskandalen ablenken. Der Chef der Antikorruptionsorganisation „Observatoire de Lutte contre la Corruption“ sitzt im Gefängnis, nachdem er in einem Bericht im Juli 400 Fälle von Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bloßstellte. Die Weltbank hat sogar die weitere Kreditvergabe an Burundi davon abhängig gemacht, dass die Regierung klärt, wieso sie den Präsidentenjet für drei Millionen Dollar verkauft hat, obwohl ein Angebot für fünf Millionen vorlag.
All diese Dinge lassen die Hoffnung verblassen, wonach Burundi ein Versöhnungsmodell für Afrika sein könnte. UN-Missionschef Nureddin Satti sprach kürzlich von einer „katastrophalen“ politischen Lage. Seitdem fordert Burundis Regierung seine Ablösung und den beschleunigten Rückzug der noch 3.293 UN-Blauhelme in Burundi, die bis Jahresende bleiben sollen.
„Die meisten Provinzen sind ruhig“, meint Außenministerin Batumbwira. „Es gibt Banditen, aber braucht man Blauhelme überall dort, wo es Banditen gibt?“ Doch Südafrikas Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota meinte kürzlich, eventuell müsse sein Land sogar mehr Truppen nach Burundi schicken. „Wir können nicht zulassen, dass der Prozess zusammenbricht“, sagte er. FRANÇOIS MISSER