IM SPÄTI : Böse Blicke
Rotwein gemischt mit Cola, das ist das liebste Getränk meiner Mitbewohnerin. „Korea“ nennt sie die süß-saure Mischung. Als „Kalte Muschi“ kann man die alkoholhaltige Brause auch in der Flasche kaufen. Das tun wir aber nicht, wir mischen selbst.
Wir wollen ausgehen, wir sind spät dran. Die Mitbewohnerin macht sich fertig, und ich gehe schnell runter in den Späti, um die Zutaten zu besorgen. Drei Herren diskutieren lauthals an der Kasse. Ihr Kleidung sieht teuer aus. Sie sind ganz in Weiß und tragen Kufija, die typische arabische Kopfbedeckung für Männer. Ich denke, vielleicht sind sie von irgendeiner Delegation? Das würde Sinn machen, schließlich gibt es viele Botschaften in der Nachbarschaft. Tage zuvor hatte ich ebenfalls einen deutschen Politiker und seine sechs Wachleute genau vor diesem Späti gesehen. Allerdings vermute ich, dass sein Ziel die Anzugschneiderei im ersten Stock des Hauses war. Warum er dafür seinen Wachtrupp braucht, weiß ich nicht – ist auch egal. Ich verwerfe den Gedanken, meine Abendplanung ist wichtiger.
Ich greife an den Dreien vorbei zu Afri Cola und Billigwein und stelle mich an. Vor ihnen stehen viele Einkaufstaschen. Erst jetzt merke ich, dass sie nicht gerade von einer Shoppingtour kommen, sondern massenhaft Süßigkeiten und Getränke in die Tüten stopfen. „Scheiße“, denke ich. „Die rauben gerade den Laden aus!“ Die drei schreien immer noch, und ich traue mich nicht aus dem Geschäft, sondern bleibe einfach stehen. Ich ernte viele böse Blicke der drei Männer und falle in eine Schockstarre.
Nur der Spätiverkäufer ist ganz cool. Monoton tippt er in die Kasse ein. „Dreihundertzweiundvierzig Euro zwanzig“, sagt er schließlich. Und deutet auf die Summe an der Anzeige. Die Kunden zahlen. Dann zahle auch ich – 7,50 Euro. Mit der Einsicht, dass nicht mein Einkauf, sondern ich selbst die kalte Muschi bin.
SVENJA BEDNARCZYK