: „Es sah aus wie eine Erschießung“
Die Handballer des THW Kiel gewannen zwar ihr Gruppenspiel in der Champions-League gegen den HC Banik Karvina, mit den Vorschriften der Europäischen Handball-Föderation für den Ablauf der CL-Spiele aber sind sie gar nicht glücklich
Irgend etwas fehlte doch, um das Bild stimmig zu machen. Nur was? Ja richtig, ein Trauerflor an den Armen der Spieler wäre angemessen gewesen, als diese artig wie kleine Gänse hinter Stefan Lövgren, dem Kapitän des THW Kiel, zur vorgeschriebenen Musik das Spielfeld der Ostseehalle betraten. Zumindest aufrichtig wäre ein Trauerflor gewesen. Wie schon eine Woche zuvor in Flensburg, so wurde am Donnerstag auch in der Kieler Ostseehalle die Vorfreude auf ein Champions League-Spiel und der Eventcharakter zu Grabe getragen. Alles wirkte so steril, dass der Betrachter den Eindruck gewinnen musste, als hätte die Europäische Handball-Föderation (EHF) in ihrem Reglementierungswahn selbst den Gesichtsausdruck der Spieler vorgeschrieben.
Wie vor 150 Jahren, in der Hochzeit von Duellen mit der Pistole, standen sich die Spieler des THW Kiel und des tschechischen Meisters HC Banik Karvina (44:25) gegenüber. „Es sah wie eine standesrechtliche Erschießung aus“, sagte Kiels Nationalspieler Christian Zeitz. „Mir gefällt das nicht. Das sollte man schnell wieder abschaffen. Wir sollten auch in der Champions League so in die Ostseehalle einlaufen, wie wir es in der Bundesliga tun.“
Der Unterschied ist enorm. Erst wenn das Licht erlöscht, 10.250 Zuschauer ihre blauen Lichter einschalten und rhythmisch zu applaudieren beginnen, entfacht die Ostseehalle ihren Zauber. In der Champions League bleibt das Licht auf Geheiß der EHF an. Die Vorstellung der Mannschaften besitzt den frostigen Charme der siebziger Jahre. Es ist wie zu Zeiten des Kalten Krieges, als sich Teams aus Nato- und Warschauer-Pakt-Staaten gegenüberstanden. Ihm sei es egal, wie man in die Ostseehalle einlaufe, denn dort sei die Stimmung immer gut, antwortete der THW-Spieler Kim Andersson pflichtbewusst auf die Frage, ob ihm die Zeremonie gefallen habe.
Für Zvonimir „Noka“ Serdarusic war der Moment gekommen einzuschreiten. „Kim ist noch jung, er traut sich noch nicht, die EHF zu kritisieren. Das ist bei mir anders. Wir sollten nicht die Fußballer kopieren. Hier wird unsere Musik gespielt, nicht die aus Wien. In unserer Halle gehen die Lichter aus, und dann läuft die Mannschaft ein. Ich finde, es sieht beschissen aus, wenn das Licht angeschaltet bleibt und die Spieler in die Halle gehen“, sagte der THW-Coach.
Normalerweise sitzt Uwe Schwenker während der Pressekonferenz neben ihm. Am Donnerstag war das anders. Im 120 Seiten umfassenden EHF-Regelwerk findet sich auch die Bestimmung, dass der Trainer und der beste Spieler jedes Teams sich den Journalisten zu stellen haben. Für den Manager ist kein Platz mehr. Das sei kein Problem gewesen, sagte Schwenker. „Ich darf schon zur Pressekonferenz gehen, aber ich hatte keine Lust darauf.“
Dass die EHF die Champions League zu einem Premium-Produkt machen wolle, sei an sich eine gute Sache, sagte Schwenker. „Man muss aber sicherlich noch einmal darüber nachdenken, was gut und was schlecht ist und das ansprechen.“ Er müsse auch an den finanziellen Nutzen für den Verein denken. Sollte der THW Kiel die Champions League gewinnen, würde das gut eine halbe Million in die Kassen spülen.
Die Kommerzialisierung ist schon in vollem Gange. Eine Bestimmung der EHF lautet, dass über dem Mannschaftshotel eine eigene Flagge zu wehen hat. Nach dem Sieg gegen Karvina gingen die THW-Spieler geschlossen aus der Ostseehalle, um draußen auszulaufen. Ob es sich dabei auch um eine EHF- Bestimmung gehandelt habe? Schwenker wehrte mit einem „Nein, nein!“ ab. Dann lachte er.
Christian Görtzen