Sudans Drohungen alarmieren die UNO

Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats nach sudanesischem Drohbrief: Bereitschaft zur Entsendung von Truppen für eine Blauhelmmission in Darfur sei „feindlicher Akt“. Kofi Annan wirft Sudan „Missachtung“ der eigenen Friedensabkommen vor

„Komplette Missachtung des Friedensabkommens“

VON DOMINIC JOHNSON

Der Streit zwischen Sudan und UNO über die Entsendung von UN-Blauhelmen nach Darfur verschärft sich. Der UN-Sicherheitsrat trat am Donnerstag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, nachdem Sudans UN-Vertretung in einem Brief an sämtliche afrikanischen und arabischen Delegationen bei den Vereinten Nationen Drohungen gegen mögliche Truppensteller ausgesprochen hatte.

„In der Abwesenheit einer Zustimmung des Sudan zur Stationierung von UN-Truppen wird jedes Angebot zur Bereitstellung von Friedenstruppen in Darfur als feindlicher Akt angesehen werden, Vorspiel zu einer Invasion eines UN-Mitgliedstaates“, hieß es in dem am Dienstag versandten Brief. Die Sicherheitsratssitzung dazu wurde von den USA beantragt, deren UN-Botschafter John Bolton von einer „direkten Herausforderung der Autorität des Sicherheitsrates“ sprach und eine „eindeutige Reaktion“ des Rates forderte. Der amtierende Sicherheitsratspräsident Kenzo Oshima (Japan) berief Sudans UN-Botschafter zu einem Protest ein.

Nachdem andere Sicherheitsratsmitglieder sich gegen eine scharfe Reaktion aussprachen und empfahlen, den Brief aus Sudan einfach zu ignorieren, nahm der Rat von einer formellen Erklärung Abstand. In Reaktion zeigte sich Sudans Regierung gestern konziliant. Es sei gar nicht wahr, dass dem neuen Sonderbeauftragten der US-Regierung für Sudan, Andrew Natsios, die Einreise verweigert würde, erklärte sie.

UN-Generalsekretär Kofi Annan nutzte die Sicherheitsratssitzung, seinen jüngsten Darfur-Lagebericht vorzulegen. Die Situation habe sich seit Ende August „erheblich verschlechtert“. Sudans Regierung sei „entschlossen, eine militärische Lösung der Krise in der Region zu verfolgen“ und lege „komplette Missachtung des Darfur-Friedensabkommens“ an den Tag, so Annan. Er bestätigte Vorstöße der Rebellen und Luftangriffe der Regierung. Der Zugang für Hilfswerke sei so schlecht wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die Impfrate der Bevölkerung sei von 90 Prozent im Jahr 2005 auf 20 Prozent dieses Jahr gesunken.

Nach neuesten Angaben der humanitären UN-Abteilung OCHA, die der taz vorliegen, nimmt die Zahl neuer Vertriebener jeden Monat stetig zu. Allein im August seien 56.000 Menschen in Darfur vertrieben worden, heißt es in einer Auflistung. Im Februar habe die Zahl neuer Vertriebener noch bei 18.700 gelegen, im Juni bei 36.200 und im Juli bei 53.500.