: Kampf um „Hobbit“-Milliarden
NEUSEELAND Vor Verhandlungen des Premierministers mit dem US-Filmkonzern Warner demonstrieren Tausende dafür, dass der Peter-Jackson-Film im Land gedreht wird
VON URS WÄLTERLIN
CANBERRA taz | Zeitweise gleicht das Spektakel einer Szene, die an „Mittelerde“ erinnert, die fiktive Welt des J. R. R. Tolkien: Tausende Menschen haben am Montag in mehreren Städten Neuseelands dafür demonstriert, dass der Film „Hobbit“ wie ursprünglich geplant im Inselstaat gedreht wird. Viele Demonstranten trugen Kostüme des Fantasiefilms. Die Proteste seien bewusst auf den Ankunftstag von Vertretern der US-Filmgesellschaft Warner Bros. in Neuseeland gelegt worden, sagt ein Sprecher der Organisation „Rettet den Hobbit“. Am Dienstag wollen sie sich mit dem konservativen Premierminister John Key in Wellington treffen. Von den Verhandlungen dürfte abhängen, ob die Nachfolge der erfolgreichen Trilogie „Herr der Ringe“ nach dem Werk von J. R. R. Tolkien ebenfalls in Neuseeland gedreht wird. Laut Key betragen die Chancen dafür „50 zu 50“.
Ein Konflikt mit der neuseeländischen Schauspielergewerkschaft vier Monate vor Drehbeginn hatte Regisseur Peter Jackson drohen lassen, er werde „Hobbit“ in Osteuropa drehen, falls sich keine Lösung ergebe. Die Gewerkschaft hatte ihm vorgeworfen, sich bei den Verträgen mit den Schauspielern an übliche Standards zu halten, und rief zu einem internationalen Boykott des Films auf. Die Schauspieler müssten nach einem mit der Gewerkschaft ausgehandelten Rahmenvertrag eingestellt werden, so die Forderung. Jackson dagegen sagte, er habe seine Mitarbeiter immer gerecht behandelt, ob sie Gewerkschaftsmitglieder seien oder nicht.
Nachdem es in der Bevölkerung einen Aufschrei der Empörung gab, ruderte die Gewerkschaft am Wochenende zurück. Präsidentin Helen Kelly meinte, die Filmproduktion habe die Zusicherung für einen ungestörten Ablauf der Dreharbeiten. Doch trotzdem entspannte sich die Lage nicht, weil Jacksons Drohung mit Abzug bestehen blieb.
Sympathie für Zwerge, Feen, Trolle und andere mystische Wesen ist der geringste Grund, weshalb Neuseeländer unbedingt wollen, dass Jackson „Hobbit“ in seinem Heimatland filmt. 2009 brachte die Filmindustrie Neuseeland umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro ein. Laut Wirtschaftsminister Gerry Brownlee habe es 40 Jahre gedauert, bis es „eine glaubwürdige Destination für Filmproduktionen geworden ist“. Die mit insgesamt 17 Oscars ausgezeichnete Serie „Herr der Ringe“ hatte Milliarden Dollar in die Wirtschaft des Landes gespült – direkt und indirekt. Die Trilogie erwies sich über Jahre als perfekte Werbekampagne für Neuseeland als Touristendestination und definierte die Inselnation als Drehort für Großproduktionen. „Hobbit“ selbst hat ein Budget von 500 Millionen US-Dollar und würde laut Regierung mindestens 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Die im Film prominent präsentierte atemberaubend schöne Landschaft Neuseelands dürfte in den kommenden Jahren wieder hunderttausende gut zahlender Touristen nach „Mittelerde“ locken. Die Tourismus-Marketingbehörde nutzte das „Herr der Ringe“-Thema bereits in den letzten Jahren für ihre globale Werbung. Experten machen die Filmreihe mit dafür verantwortlich, dass Neuseelands Tourismuswerbung als eine der erfolgreichsten der Welt gilt.
Wenig erfreut über die Drohungen der Gewerkschaft waren auch die Menschen in Matamata. Das kleine Dorf im Zentrum der neuseeländischen Nordinsel diente Jackson als Drehort für „Hobbiton“, den Ort, wo in „Herr der Ringe“ die Hobbits wohnen. Bei einem Besuch vor zwei Jahren zeigten sich die dort meisten der befragten Bewohner zufrieden mit ihrer Behandlung und Entlohnung durch Jackson und die Filmgesellschaft. Viel Geld sei in die lokale Wirtschaft geflossen. Jeder habe profitiert: die Behörden, die Handwerker, die Metzger und Bäcker.
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