Streit auf dem Gipfel der Energieeffizienz

Der Konflikt um längere AKW-Laufzeiten wird auf dem heutigen Energiegipfel eine größere Rolle spielen, als der Kanzlerin lieb ist. Merkel würde gerne nur übers Energiesparen reden. Da sind die Konzepte ehrgeizig – sie reichen aber nicht, sagen Kritiker

VON HANNES KOCH

Vor dem heute stattfindenden Energiegipfel hat die Bundesregierung die Stromkonzerne davor gewarnt, ihre Zusagen zu brechen. Man betrachte es als „unfreundlichen Akt“, hieß es im Bundeskanzleramt, wenn die Unternehmen den Bau neuer Kraftwerke an Bedingungen knüpfen würden. Die Stromkonzerne wollen ihre alten Atomkraftwerke länger laufen lassen und zugleich staatliche Preisregelungen verhindern.

Wenn sich die 28 Vertreter von Wirtschaft, Verbraucherverbänden und Politik heute zum zweiten Mal bei Kanzlerin Angela Merkel treffen, stehen derartige Fragen eigentlich nicht im Mittelpunkt. Es soll um die Beurteilung der internationalen Versorgungslage und das Energiesparen gehen. Auf ihrer Suche nach einer Energiestrategie für Deutschland gerät die Bundesregierung aber immer wieder in Konflikt mit den Interessen der vier marktbeherrschenden Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW.

Auf dem ersten Energiegipfel im vergangenen April hatten die Stromkonzerne zugesagt, bis 2012 rund 30 Milliarden Euro in neue Kraftwerke und bessere Leitungen zu investieren. Dadurch soll Ersatz geschaffen werden für alte Kohle- und Atomkraftwerke. Neuerdings stellt der Verband der Elektrizitätswirtschaft dieses Programm wieder in Frage – unter anderem um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke durchzusetzen. Jan Zilius, Vorstandschef der RWE Power AG, sagte, er sehe kein finanzierbares Konzept, „wie der immerhin 26-prozentige Anteil der Kernenergie an der deutschen Stromversorgung bis 2020 ersetzt werden kann“. RWE hat bereits einen Antrag gestellt, den hessischen Meiler Biblis A länger laufen zu lassen. Die Unternehmen werden von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) unterstützt, der den rot-grünen Atomkonsens am liebsten kippen würde.

Heute allerdings soll es erst einmal um Energieeffizienz gehen. Die Bundesregierung hat dafür einen ehrgeizigen Plan vorgelegt. Im Vergleich zu 2005 soll der Primärenergieverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent sinken. Eine ähnliche Menge fordern Wissenschaftler, um den weltweiten Klimawandel einigermaßen im Griff zu behalten. Der Stromverbrauch soll zu diesem Zweck um 10 Prozent, der Wärmebedarf von Gebäuden um 20 Prozent und der Energieverbrauch um 5 Prozent reduziert werden.

Mit den bisher beschlossenen Mitteln dürfte die Bundesregierung das Ziel dennoch nicht erreichen. Der Katalog neuer Instrumente reicht deshalb von einem Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung über eine schadstoffabhängige Kraftfahrzeugsteuer bis zu sparsameren Automotoren.

„Die Ziele sind gut, aber die Maßnahmen reichen nicht aus“, kritisiert Reinhard Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und ehemaliger grüner Staatsekretär im Umweltministerium, das Programm der Regierung. Ohne eine härtere Gangart gegenüber der Industrie werde es nicht funktionieren, sagt Baake.

Als Beispiel nannte Baake den Umgang mit den deutschen Autokonzernen. Diese hielten ihre Selbstverpflichtung zur Herstellung sauberer Motoren nicht ein. Um technischen Fortschritt und Klimaschutz zu erzwingen, fordert Baake deshalb Schadstoff-Obergrenzen für Motoren.

Auch beim Emissionshandel, einem marktwirtschaftlichen Instrument zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes der Industrie, müsse die Regierung konsequenter sein. Es sei notwendig, weniger Verschmutzungsrechte an die Unternehmen zu verteilen, sagt Baake.

Ihre Energiespar-Strategie betrachtet die Regierung als Vorarbeit für das kommende Jahr. Im ersten Halbjahr hält Deutschland den Vorsitz der G 8, des Zusammenschlusses der größten Industrienationen, und die Präsidentschaft der Europäischen Union. Beide Funktionen will die Regierung nutzen, um Energieeffizienz und Klimaschutz voranzubringen. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: Energiesparende Produkte verkaufen sich gut in Zeiten hoher Energiepreise.