Legalize it!

Auf ein radikales Rauchverbot in Gaststätten konnten sich Union und SPD nicht einigen. Dabei gäbe es Alternativen zum Laisser-faire: die Versteigerung von Ausnahmelizenzen

Wirte fürchten, durch ein Rauchverbot die rauchenden Gäste zu vergraulen, ohne neue Kunden zu gewinnen

Ein erneuter Anlauf also, das Rauchen in Gastbetrieben zu verbieten – und wieder droht er zu scheitern. Dahinter das Wirken der Tabakindustrie zu vermuten, ist sicher nicht falsch. Trotzdem entbindet der Hinweis auf einen solchen bornierten Lobbyismus nicht davon, nach Lösungen zu suchen, die selbst unter ungünstigen politischen Bedingungen eine Verbesserung des Status quo darstellen würden. Auch wenn die Frage im Moment rein als Ja-Nein-Entscheidung debattiert wird, sind Verbote nämlich selten so klar, sondern in der politischen Realität häufig mit Ausnahmen versehen, was Kompromisse ermöglicht.

Die Gegner einer gesetzlichen Regelung haben ein zunächst stark wirkendes Argument für sich. Sollte in einer freien Gesellschaft nicht jeder wählen können, welches Etablissement er aufsucht, nicht anders als sonst auch in der Wahl des Konsums? Im Prinzip schon richtig. Aber um Wahlfreiheit im Wesenskern umzusetzen und nicht nur formal zu garantieren, müssen einige Bedingungen erfüllt sein: Dazu gehört vor allem eine gewisse Informationssicherheit vorab und ausreichend Wahlmöglichkeiten. Man kann bestreiten, dass diese bei einem typischen Gaststättenbesuch eines Nichtrauchers vorliegen.

Ganz praktisch: Man (und frau auch) hat sich ein bestimmtes Lokal ausgesucht – sei es der Atmosphäre wegen, aufgrund des attraktiven Angebots oder auch nur weil es so günstig liegt. Etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland raucht. Es gibt also durchaus eine Wahrscheinlichkeit, dass sich dort auch jemand rauchend aufhält. Bei der Entscheidung über den Besuch dieser Gaststätte aber ist unbekannt, ob und wie viel Rauchern man begegnen wird, wie lange sie sich dort aufhalten werden und auch, ob man etwa durch eigenes Verhalten in der Wahl des Sitz- oder Stehplatzes die Beeinträchtigung durch Qualm minimieren kann.

Eine gravierende Störung durch Raucher wird in der Regel nicht erwartet und ist häufig auch nicht gegeben. Ist aber erst einmal die Gaststätte gewählt, gar schon etwas bestellt, so ist ein Wechsel – weil etwa der Rauch unerwartet dicht wird – nicht ohne Weiteres zu haben: Es muss neu entschieden werden, Abstriche sind zu machen, ursprünglichen Transportmittel müssen eventuell umorganisiert werden etc. Dazu weiß man ja nicht, ob es eine bessere Alternative überhaupt gibt oder ob andernorts nicht genau das gleiche Problem auf einen wartete.

Der nichtrauchende Gast erträgt also in aller Regel eine Belästigung – vor allem, wenn sie als nur mäßig eingeschätzt wird. Er hat auch keinerlei Handhabe der Beschwerde, da weder Gesetz noch Wirt sich auf ein Rauchverbot verpflichtet haben. Und er hat keine reelle Alternative, da rauchfreie Lokale fast nicht existieren. Für Nichtraucher bedeutet Rauchen damit zwar eine Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens, führt aber kaum zu Verhaltensänderung oder Protest.

Warum gibt es eigentlich kein breites Angebot an Nichtraucherlokalen? Wenn nur ein Drittel raucht, müsste die große Mehrheit für ein solches Angebot doch dankbar sein, müsste man meinen. Doch für Wirte sieht die Entscheidungssituation anders aus: Ein Rauchverbot würde sie einen Gutteil ihrer rauchenden Kundschaft kosten – jedenfalls dann, wenn für diese genügend Alternativen weiter leicht erreichbar sind. Qualmen gilt schließlich als eine Sucht und nicht als reine Genussentscheidung. Da die nichtrauchende Klientel wiederum von einer durchschnittlich eher mäßigen und in der Wahrscheinlichkeit nicht sicheren Belästigung ausgeht, spielen bei deren Wahl einer Gaststätte andere Kriterien als die Qualmdichte eine Rolle. Das heißt: Was ein Lokal mit einseitigem Verbot bei den Rauchern verliert, gewinnt es nicht an zwangsläufig nichtrauchenden Kunden hinzu. Also lassen Wirte das lieber, egal wie sie persönlich dazu stehen. Manchmal regelt der Markt eben nicht alles von selbst.

Ein anderes Argument für eine gesetzliche Regelung ist die Wirkung des Passivrauchens. Als Nichtraucher ist man dem Passivrauchen nach den Rauchverboten am Arbeitsplatz noch an zwei Stellen ausgesetzt: im privaten Umfeld und eben in Gaststätten. Nur das Erstere lässt sich wirklich kommunikativ beeinflussen, das Letztere eben nur erdulden oder durch starke soziale Abstinenz vermeiden. Auf mindestens 3.300 Toten schätzt das deutsche Krebsforschungszentrum die Zahl der jährlichen Opfer in Deutschland – das ist noch einiges mehr als etwa der Anschlag auf das World Trade Center gekostet hat. Ein Gutteil davon ist der Situation in den Gastbetrieben anzulasten.

Ergebnis ist damit: Ein Angebot an genügend Nichtrauchergaststätten würde sowohl den Bedürfnissen der Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung besser entsprechen wie auch ein Gesundheitsproblem der nicht selbst gewählten Art vermindern. Ein solches Angebot ist aber nicht von Seiten des Marktes zu erwarten, sondern bedarf der gesetzlichen Vorgabe.

Wie steht es mit den Rechten der Raucher? Sollten sie nicht Stätten haben, um sich – im Bewusstsein der Konsequenz ihres Verhaltens – zu treffen? Es fällt in der Tat schwer, dies völlig abzulehnen. Tabakgenuss ist in Deutschland nicht verboten. Wenn gesichert ist, dass Dritte darunter nicht leiden, sollte das durchaus auch in öffentlich zugänglichen Räumen geschehen dürfen. Es muss aber nicht kostenfrei geschehen, da falsche Lerneffekte, vor allem bei der nächsten Generation, ebenfalls noch damit einhergehen.

Der nichtrauchende Gast erträgt den Qualm in der Kneipe, weil er ohnehin meist keine Alternative hat

Die einfachste Lösung wäre deshalb, für eine kleine Anzahl von Etablissements in der Gastronomie Rauchlizenzen zu vergeben, es bei anderen zu verbieten. Ökonomisch effizient wäre es weiter, solche Lizenzen – unter Beachtung der Größe der Lokale – zu versteigern. Und es brächte auch ganz nette Einnahmen mit sich. Deutschland hat etwa eine Viertelmillion Betriebe im Gastgewerbe. Wenn man etwa für den Anfang bereit ist, jedes zehnte Lokal für ein Jahr mit einer solchen Erlaubnis zu versehen, wären das 25.000 Lizenzen: Das sollte reichen, um eine Angebot für die sozialen Bedürfnisse der Raucher zu garantieren.

Jeder Betrieb macht durchschnittlich etwas über 200.000 Euro Umsatz. Pendelte sich der Kurs für eine durchschnittliche Lizenz bei angenommenen 20.000 Euro pro Jahr ein, müssten die Wirte dieser Lokale ihre Preise um 10 Prozent anheben: Wenn auch zu viel für machen alten Stammgast, so ist das doch akzeptabel für Raucherflüchtlinge aus den umliegenden, jetzt rauchfreien Gaststätten. Der Staat würde dadurch eine halbe Mrd. Euro einnehmen – ein nur kleiner, aber sicher doch willkommener Beitrag für die Defizite der Gesundheitsreform. Nichtrauchende Beschäftigte hätten bei einer Abdeckung von nur 10 Prozent Raucherkneipen die Wahl, sich besser passende Arbeitgeber zu suchen. Und über ein allmähliches Verknappen der Zahl der Lizenzen über die Zeit könnte ein Lerneffekt einsetzen, der in Zukunft das Rauchen in der Öffentlichkeit immer weniger attraktiv erscheinen lässt.

GERD GRÖZINGER