Privatisierungswelle am Wohnungsmarkt
: Den Preis zahlen die Mieter

Neun Prozent – diese Marge sollten sich nicht nur Mieter der ehemals „Gemeinnützigen Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten“ merken. Noch liegen die Mieten bei der Gagfah wie bei vielen sozial orientierten Wohnungsbaugesellschaften unter „marktüblichem“ Niveau. Doch das wird sich zumindest mittelfristig ändern: Nur zwei Jahre nach Erwerb will der US-Finanzinvestor Fortress zunächst 20 Prozent seiner Gagfah-Anteile an die Börse bringen – und erwartet Erlöse von über 800 Millionen Euro.

KOMMENTAR VON ANDREAS WYPUTTA

Der Renditehunger der Fondsgesellschaft dürfte damit aber kaum gestillt sein. Mieterhöhungen und Kosteneinsparungen stehen nicht nur bei der Gagfah an. Zur Steigerung der Kapitalrendite hat deren Geschäftsführer, Oberhausens ehemaliger SPD-Oberbürgermeister Burkhard Drescher, neue Wachstumspotenziale bereits fest im Blick. Nicht nur an den Wohnungen der nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsgesellschaft LEG hat Drescher Interesse – attraktiv erscheinen alle rund 4,8 Millionen Wohnungen, die bundesweit noch im Besitz der sozial orientierten Tochtergesellschaften von Städten, Gemeinden und großen Unternehmen sind. Der Markt ist riesig: Der Gesamtwert der Wohnungsbautöchter wird auf 240 Milliarden Euro geschätzt.

Den Preis der gerade erst angelaufenen Privatisierungswelle aber werden die Mieter zahlen. Ihnen drohen eben nicht nur „marktübliche“ Preiserhöhungen, sondern auch mehr Unsicherheit. Mögen bei den anstehenden Verkäufen auch Sozialstandards vereinbart werden: Ob gewinnorientierte Neueigentümer etwa Kündigungsfristen oder ein Recht auf lebenslanges Wohnen auch faktisch respektieren, bleibt fraglich. Auch in der Immobilienbranche zielt das Interesse der Fonds auf möglichst kurzfristige Renditen. Noch kann die öffentliche Hand gegensteuern, allen voran die Landesregierung: Sie sollte die LEG nicht verkaufen.