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Archiv-Artikel

Melancholie im Wandel

Wer will denn schon traurig sein. Melancholie dagegen ist eine ziemlich beliebte Stimmung. Auch deshalb, weil sie sich so grundverschieden anfühlen kann. So verschieden wie windiger Herbsttag oder laue Sommernacht, so unterschiedlich wie Spätwestern und Film Noir oder Sepiatone und Caroline du Bled & Scorbüt.

Hinter Sepiatone verstecken sich Marta Collica, in Berlin lebende Sizilianerin, die als Keyboarderin des PJ-Harvey-Intimus John Parish bekannt geworden ist, und Hugo Race, früher mal einige Jahre in Berlin beheimateter Australier, der in unzähligen Bands spielte und einst zur Urbesetzung von Nick Cave & The Bad Seeds gehörte.

Zusammen spielen sie eine gemütlich schlürfende, auf akustische Gitarren, knarzendes Cello und verrauchte Atmosphäre setzende Songs, singen schöne Duette und pfeifen sich auch mal eins. Die Songs heißen „Cold & Blue“ oder „Morning After“, sie berichten – in Text und/oder Musik – von Gefühlen aus Zwischenzeiten, von den seltsamen Momenten, in denen das eine noch nicht beendet ist, etwas anderes aber noch nicht so richtig begonnen hat.

Das kann mal ein dramatisches, aber irgendwie ins Leere laufendes Instrumental sein wie „Air Berlin“, mal ein vergleichsweise konventioneller Song wie „Never Been Away“, der sich bei klassischen Americana-Vorlagen bedient, ohne ins Klischeehafte zu kippen.

Ganz anders, eher zickig und auch ein bisschen streng ist die Melancholie, die Caroline du Bled & Scorbüt auf ihrem neuen Album illustrieren. „Live im Thalia-Theater Hamburg“ versammelt Lieder, die man wohl besser Chansons nennen sollte und die einst von Lale Andersen oder Hans Albers gesungen, von Serge Gainsbourg oder immer wieder Jacques Brel geschrieben wurden.

Die Besetzung mit Gitarre und Perkussion ist übersichtlich, die Interpretationen der seit zwölf Jahren in Berlin lebenden Schauspielerin und Sängerin pressen den mitunter unwilligen Vorlagen eine neue Intensität ab, die – wie bei „La Paloma“, dem am häufigsten gecoverten Lied der Welt – schon mal zur Karikatur verkommt. Aber selbst das, nämlich nicht wirklich ernst genommen zu werden, verträgt diese wandlungsfähige Melancholie vollkommen mühelos.

THOMAS WINKLER

■ Sepiatone: „Echoes On“ (Interbang/Broken Silence), Record Release Party am 16. 4. im Schokoladen Mitte

■ Caroline du Bled & Scorbüt: „Live im Thalia-Theater Hamburg“ (silberblick-musik.de), Record Release Party am 11. 4. in der Willner-Brauerei, Berliner Str. 80–82, Pankow