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Archiv-Artikel

Erst Menschenjagd, dann Blauhelme

ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK Ab September werden aus 6.000 Afrikanern 10.000 UN-Blauhelmsoldaten, beschließt jetzt der UN-Sicherheitsrat. Die Mission kann die Vertreibung der Muslime nicht aufhalten

BERLIN taz | Die von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gewünschte große Blauhelmmission für die Zentralafrikanische Republik wird jetzt Realität. Vorbehaltlich unerwarteter Entwicklungen wird der UN-Sicherheitsrat in New York am heutigen Donnerstag einen von Frankreich eingebrachten Resolutionsentwurf billigen, der die Entsendung von 10.000 UN-Blauhelmsoldaten und 1.800 Polizisten in das Bürgerkriegsland vorsieht. Die Truppe mit dem eingängigen Namen „Multidimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik“ (Minusca) soll ab Mitte September die Nachfolge der bestehenden afrikanischen Eingreiftruppe „Misca“ einnehmen.

Die Namensgebung hat den praktischen Vorteil, dass zu den bestehenden Misca-Schriftzügen in Zentralafrika nur zwei Buchstaben hinzugefügt werden müssen, die auch noch für „Vereinte Nationen“ auf Französisch stehen. Das entspricht auch ziemlich genau dem UN-Konzept, wonach die Blauhelmtruppe aus der bestehenden Misca besteht, plus ein paar außerafrikanische Kontingente.

Frankreichs 2.000 Mann starke Eingreiftruppe „Sangaris“ soll als eine Art „schnelle Eingreiftruppe“ für Krisensituationen bleiben. Die gesamte Konstruktion entspricht der in Mali.

Dem Resolutionsentwurf zufolge fordert die UNO die Übergangsregierung der Zentralafrikanischen Republik auf, „spätestens im Februar 2015 freie und faire Präsidentschafts- und Parlamentswahlen“ abzuhalten. Ein sehr ambitionierter Zeitplan. Aber er kommt viel zu spät, um die von Massakern begleitete Vertreibung der muslimischen Minderheitsvölker durch antimuslimische Milizen namens „Anti-Balaka“ aufzuhalten. Die Vertreibung ist bereits zu über 90 Prozent vollzogen. Erst am Samstag verglich sie Ban Ki Moon in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui mit dem Völkermord in Ruanda 1994.

Die weniger als 20.000 verbliebenen Muslime im Land fürchten umso mehr um ihre Sicherheit, als die wichtigsten zu ihrem Schutz agierenden ausländischen Eingreiftruppen abziehen. Das Misca-Kontingent des Tschad, dessen Armee schon viel länger militärisch präsent ist und Evakuierungskonvois aus Zentralafrika ins eigene Land begleitet, verkündete Ende vergangener Woche den Rückzug aus der Misca. Weitere Truppensteller wie Gabun und Ruanda wollen angeblich folgen.

DOMINIC JOHNSON