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Archiv-Artikel

Koalition streitet über kalte Progression

FINANZEN SPD und Union wollen gemeinsam heimliche Steuererhöhungen abschaffen. Nur wer bezahlt das? Die SPD würde Gutverdiener stärker belasten. Unionsfraktionschef Kauder lehnt das kategorisch ab

BERLIN taz | In der Koalition ist ein neuer Streit über Steuersenkungen entbrannt. Unionsfraktionschef Volker Kauder lehnte es am Mittwoch kategorisch ab, die geplante Abschaffung der kalten Progression über Steuererhöhungen zu finanzieren. Es werde auf keinen Fall eine Gegenfinanzierung über Steuererhöhungen geben, sagte Kauder in der Haushaltsdebatte im Bundestag. „Wer das will, muss diese Pläne beerdigen.“ Kauder zielte damit auf entsprechende Überlegungen in der SPD-Fraktion.

Union und SPD sind sich einig, die so genannte kalte Progression dämpfen zu wollen. Der Begriff beschreibt einen absurden Effekt: Im Moment werden die Steuertarife nicht an die Inflation angepasst. Arbeitnehmer, die eine Lohnerhöhung bekommen, rutschen also in einen höheren Steuertarif, ohne real mehr Geld zu verdienen. Die Abschaffung dieses Effekts wäre faktisch eine Steuersenkung, die den Staat rund 4 Milliarden Euro jährlich kostet. Am stärksten profitieren würden Gutverdiener, weil sich bei ihnen Anpassungen der Tarifkurve aufsummieren.

Während die Union eine Gegenfinanzierung über höhere Steuern ablehnt, wäre die SPD, die vor der Bundestagswahl für eine Vermögensteuer kämpfte, hier offen. Man müsse über die kalte Progression reden, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Er forderte aber Kompensationen: „Ohne solide und vollständige Gegenfinanzierung wird das nicht möglich sein.“ Auf keinen Fall dürfe durch eine Anpassung der Tarifkurve weniger Geld für Investitionen zur Verfügung stehen, sagte Oppermann. Wie ein Kompromiss in dieser Frage aussehen könnte, ist völlig unklar.

Die Koalition brachte den Haushaltsentwurf für das Jahr 2014 in den Bundestag ein. Kanzlerin Angela Merkel lobte in der Generaldebatte die Haushaltspolitik ihrer Regierung. So werde 2015 der erste Bundeshaushalt seit über 40 Jahren ohne neue Schulden auskommen. „Das sind nicht einfach Zahlen“, sagte Merkel. Stattdessen gehe es um „ein Versprechen der Koalition, sich um Sorgen und Ängste künftiger Generationen zu kümmern“.

ULRICH SCHULTE