Verstehen Sie Spaß?

Hymnen nicht nur über Freud und Leid gleichgeschlechtlicher Liebe: Heute Abend stellen die fröhlichen kanadischen Queer-Kirchen-Folk-Popper „The Hidden Cameras“ ihr neues Album „Awoo“ vor

Do, 12. 10., 21 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

Vielleicht lässt sich die Musik der „Hidden Cameras“ nicht besser auf den Punkt bringen, als es deren Mastermind Joel Gibb selbst tut. „Gay church folk music“ nennt der Songschreiber das Produkt seines MusikerInnenkollektivs mit großer Freude an der Doppeldeutigkeit. Denn „gay“ bezieht sich zunächst auf die überbordende pure Lebensfreude, die einem aus nahezu jedem Song des KünstlerInnenkollektivs aus Toronto entgegen sprüht. Auf der anderen Seite erregen Gibbs Texte vor allem durch ihre furchtlos-expliziten und anrührenden Untersuchungen des schwulen Alltagslebens Aufmerksamkeit. Nicht um zu provozieren, wie er betont, sondern um deutlich zu machen, dass es sich dabei um etwas Alltägliches handelt – auch wenn schon mal lauthals gefordert wird, die Ehe zu verbannen.

„Church“ wiederum bezieht sich in Gibbs Konzept zum einen auf den deutlichen Gospel-Einfluss der „Cameras“. Einige der legendären ersten Konzerte fanden nicht zufällig in Kirchen statt – wenn nicht gerade ein Park oder ein Pornokino bespielt wurden. Zum anderen findet sich das Kirchliche in der religiös-spirituellen Symbolik, mit der Gibbs romantische und erotische Themen umgibt. „Folk“ schließlich verweist nicht nur auf Gibbs Gitarrenspiel, sondern vor allem auf die Politik der offenen Tür, die die Band zuweilen von sieben auf bis zu 15 MusikerInnen anschwellen lässt.

Trotzdem bleibt auf der Bühne immer noch genug Raum für die hoch energetische Show: für bunte Transparente, einen Chor, eine Streichersektion, an die Wand projizierte Texte oder gelbe Luftschlangen, die zum Song „Golden Streams“ ins Publikum geworfen werden. Und natürlich für das obligatorische runde Dutzend strippender Go-Go-Tänzer mit Sturmhauben, die vor allem ein Ziel haben: die auf Indie-Konzerten sonst zumeist anzutreffende Tanzfeindlichkeit und Mitsinghemmung abzubauen. Denn schließlich, so Joel Gibbs, geht es darum Spaß zu haben – auch mit dem eigenen Körper.ROBERT MATTHIES