„Er ist eine Rampensau“

BLÖDELN Dass Otto Waalkes in der Glocke auftritt, passt zum Niveau seiner einstigen Gagschreiber

■ 44, Kulturwissenschaftler und Autor, promovierte in Bremen 2002 über die Satire der Neuen Frankfurter Schule, Herausgeber von deren maritimer Dichtung: Da, das Meer!, 432 S., 24,90 Euro. Mit Robert Gernhardt edierte er den Gedichtband „Hell und schnell“, 624 S., 15 Euro.

taz: Herr Zehrer, Otto Waalkes tritt heute in der Glocke auf – was bedeutet diese Entwicklung von den Kleinkunsttingeltangels in die Philharmonie…?

Klaus Cäsar Zehrer: Otto Waalkes ist doch nicht in Tingeltangels aufgetreten – höchstens ganz, ganz am Anfang. Der hat schon sehr früh in den 1970er-Jahren große Säle gefüllt, das Hamburger Audimax zum Beispiel, oder später auch die Bremer Stadthalle. Was mich ein wenig überrascht ist, dass er in die vergleichsweise kleine Glocke geht. Die ist ja doch sonst eher für Hochkultur reserviert. Ist das so ein Premium-Termin für handverlesene Besucher?

Nein, im Rahmen der aktuellen Tour, aber gleich drei Abende…

Ah ja, dann passt’s wieder: Otto Waalkes war fast immer ein Massenphänomen – und steht damit ja längst nicht mehr allein, wenn man sieht, dass Mario Barth mit Comedy das Olympiastadion in Berlin füllen kann. Wahr ist, dass Waalkes da ein Vorreiter war, vielleicht auch ein Wegbereiter.

Ist dieses Vorwegnehmen nicht selbst eine avantgardistische Qualität?

Das sehe ich bei Waalkes nicht unbedingt. Eher schon bei den Frankfurter Autoren, die ihn jahrzehntelang mit Texten beliefert haben: Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Peter Knorr.

Sie haben sich mit ihm für Ihre Dissertation über die Neue Frankfurter Schule befasst – als deren Interpret Otto schon etwas Genialisches hat, oder?

Er ist eine absolute Rampensau. Wie er mit den Texten von Gernhardt, Eilert und Knorr ein Publikum erreicht, das nie zu deren Lesungen gehen würde, das hat schon eine besondere Qualität.

Wie konnte die Zusammenarbeit mit einem so hochintellektuellen Schreiber wie Robert Gernhardt funktionieren?

Mit hohem gegenseitigem Respekt. Gernhardt hat das komische Talent von Otto immer sehr geschätzt. Außerdem lag ihm intellektuelle Überheblichkeit fern. Er konnte sich problemlos in Kreisen der akademischen Kultur bewegen – aber es machte ihn auch glücklich, dass über den ersten Otto-Film, an dessen Drehbuch er mitgeschrieben hatte, zehn Millionen Menschen im Kino lachen konnten.

Die Zusammenarbeit mit Waalkes war wichtig für ihn?

Ja. Zum einen aus handfesten materiellen Gründen. Gerade in der Phase, als er nicht mehr für Pardon arbeitete und Titanic noch nicht gegründet war, hatte er nicht so viele Publikationsmöglichkeiten. Zum anderen war für ihn auch wichtig, zu sehen, dass das, was er sich am Schreibtisch ausgedacht hatte, beim Publikum ankam, dass das ganze Säle zum Kochen bringen konnte.

Gibt es heute jemanden, der ähnlich zwischen Comedy und Hochkultur hin- und herswitchen könnte?

Sie meinen in Nachfolge Gernhardts? Im Moment sehe ich da in Deutschland keinen: Es ist ja auch niemand da, der auf seinem Niveau über Humor und Komik reflektieren würde. Da hat Gernhardt, glaube ich, eine große Lücke hinterlassen.  Interview: BES

Otto – geboren um zu blödeln, Glocke, Fr, Sa und So, jeweils 20.07 Uhr