: Brüssel bremst Köln aus
Der Bau der neuen Kölner Messehallen hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen, befindet die EU-Kommission. Nun droht der Bundesrepublik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof
VON PASCAL BEUCKERUND FRANK ÜBERALL
Im Bauskandal um die neuen Kölner Messehallen droht die Europäische Kommission der Bundesrepublik jetzt mit einer Klage. Das Projekt hätte bundesweit ausgeschrieben werden müssen, entschieden gestern die Brüsseler Kommissare. Sie verschärfen deshalb nun ihr Verfahren gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die EU-Verträge. Der private Investmentfonds Oppenheim-Esch hatte den Zuschlag für den Bau vor drei Jahren ohne jede öffentliche Ausschreibung erhalten. Sollte der Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen, drohen Deutschland Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.
Es geht es um die rechtliche Beurteilung eines komplizierten Dreiecksgeschäftes: Ende 2003 kaufte Oppenheim-Esch für rund 70 Millionen Euro von der Stadt Köln ein 170.000 Quadratmeter großes Grundstück, um darauf die neuen Messehallen zu erreichten. Die Hallen mietete die Stadt für einen festen Zeitraum von 30 Jahren für insgesamt über 600 Millionen Euro von dem Investor und vermietete sie dann an die Messegesellschaft unter. Dreh- und Angelpunkt ist nun die Frage, ob der Bau der im Januar dieses Jahres fertig gestellten vier Nordhallen der Kölner Messe ein öffentliches Projekt im Sinne des europäischen Vergaberechts war.
Die Kölner Stadtspitze um Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) verneint dies, „weil seitens der Stadt kein Bauauftrag erteilt, sondern lediglich einen Mietvertrag abgeschlossen“ worden sei. Deshalb habe auch keine europaweite Ausschreibung erfolgen müssen. Die Bezirksregierung Köln und auch das Bundeswirtschaftsministerium stützten diese Auffassung. Im Widerspruch zum Bund der Steuerzahler ebenso wie zu etlichen auf Vergaberecht spezialisierten Juristen, deren Rechtsverständnis sich nun die EU-Wettbewerbshüter anschlossen: „Nach Ansicht der Kommission handelt es sich um einen öffentlichen Bauauftrag“, beschlossen sie auf ihrer gestrigen Sitzung.
Kann die Bundesregierung in den kommenden zwei Monaten die in der „begründeten Stellungnahme“ der EU-Kommission enthaltenen rechtlichen Argumente nicht entkräften, wird es zum Prozess vor dem EuGH kommen. Dann drohen saftige Strafzahlungen. Auch müsste das Geschäft eventuell rückabgewickelt werden, wodurch hohe Schadenersatzforderungen entstehen könnten.
Doch soweit will die Stadt Köln noch nicht denken. Es sei „zum jetzigen Zeitpunkt viel zu früh, über mögliche Konsequenzen zu spekulieren“, sagte der von ihr mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte Vergaberechtler Stefan Hertwig. Auch Oberbürgermeister Schramma zeigte sich unbeeindruckt: „Unabhängig“ von der rechtlichen Bewertung unterstreiche er, „dass mit der Entscheidung zum Bau der neuen Messehallen ein zukunftsweisendes Ergebnis für den Medien- und Messestandort Köln erzielt worden ist“, ließ er sein Presseamt verkünden.
Weniger lapidar reagierte hingegen die Kölner Staatsanwaltschaft auf den EU-Beschluss. „Wir werden die Gründe der Entscheidung sorgfältig prüfen“, sagte deren Sprecher Günther Feld der taz. Seit dem vergangenen Jahr ermittelt die Justiz bereits gegen Schramma wegen des Verdachts der Untreue. Untersucht wird, ob „trotz vorliegender günstigerer Angebote wirtschaftlich nicht vertretbare Zahlungsverpflichtungen zum Nachteil der Stadt Köln eingegangen worden sind“.