: „Ich bin kein linker Ideologe“
PASST SCHO Brauchtum, Landschaftsschutz, Arbeitsplätze. Wolfgang Rzehak (Grüne) setzt auf Pragmatismus
■ Der 46-Jährige ist in Tegernsee geboren, hat lange in Miesbach gelebt und wohnt in Gmund. Alle drei Orte liegen im Landkreis Miesbach. Der Diplomverwaltungswirt war bisher Fraktionschef der Grünen im Kreisrat.
taz: Herr Rzehak, kaum eine Region in Deutschland ist so konservativ wie das bayerische Oberland. Ein Kandidat der Grünen müsste dort doch unwählbar sein.
Wolfgang Rzehak: Das ist ein Missverständnis. Die Leute hier sind wertkonservativ: Sie tragen Tracht, pflegen ihre Traditionen – und wollen die Natur erhalten. 25 Prozent der Landwirte in der Region sind Biobauern, das ist der höchste Wert in ganz Deutschland. Der schwarze Oberländer ist genauso umweltbewusst wie wir Grünen.
Dann ist die CSU in Miesbach eine Ökopartei?
Na ja, auf den Landschaftsschutz legen wir zum Beispiel immer noch mehr Wert als die CSU. Es kann nicht sein, dass die Natur immer weiter zersiedelt wird. Als Landrat werde ich allerdings jeden Einzelfall abwägen und manchmal Entscheidungen treffen, mit denen ich meine Partei enttäusche. Auch wenn der Kreisverband sehr realpolitisch eingestellt ist.
Also genehmigen Sie Fabriken im Landschaftsschutzgebiet?
Für Arbeitsplätze muss man auch mal etwas opfern, aber nicht um jeden Preis. Der fünfte Supermarkt am Stadtrand bringt genauso wenig wie riesige Schneekanonen im Skigebiet. Wer als Tourist aus Bottrop nach Bayrischzell kommt, sucht echtes Brauchtum und unverbaute Landschaften. Das müssen wir erhalten.
Im Kreistag haben Sie keine Mehrheit, die CSU bleibt stärkste Fraktion. Wie wollen Sie Ihre Ziele dort durchsetzen?
Ich sitze seit 1996 im Kreistag und bin mit allen Kreisräten per Du. Sachthemen spielen dort eine größere Rolle als Parteipolitik. Daher bin ich zuversichtlich.
1986 sind Sie den Grünen beigetreten, unmittelbar nach Tschernobyl. Ein grüner Landrat war damals unvorstellbar.
In den 80ern war man als Grüner im Oberland schon a bisserl der Exot. Mittlerweile sind das aber eher die Sozialdemokraten. Wer hier auf dem Land eine Alternative zur CSU sucht, geht zu uns oder zu den Freien Wählern.
Warum nicht zur SPD?
Sie ist zu verstaubt. Die SPD hat hier eine ganze Generation an die Grünen verloren. Ein Zugpferd der bayerischen Grünen war lange Zeit der verstorbene Landesvorsitzende Sepp Daxenberger. Ein Pfundskerl im Trachtenjanker.
Was haben Sie mit ihm gemeinsam?
Sepp hat immer gesagt: „Gehts dahin, wo die Leute sind. Dann kommen die Leute auch zu euch.“ Ich bin im Vorstand des Miesbacher Eishockeyvereins, setze mich im Stadion an den Stammtisch und gehe sonntags mit meiner Familie Schweinsbraten essen. Nicht aus Kalkül, sondern weil es mir Spaß macht. Das merken die Wähler. Außerdem bin ich kein linker Ideologe, sondern Pragmatiker. In Baden-Württemberg hat Winfried Kretschmann gezeigt, wie Grüne Mehrheiten gewinnen können: mit einer Politik der Mitte.
■ Landschaft: Der Landkreis Miesbach liegt südlich von München und zieht sich bis zur österreichischen Grenze hin. In ihm liegen der Tegernsee, der Schliersee und das wegen der dort stattfindenden CSU-Tagungen bekannte Wildbad Kreuth.
■ Politische Landschaft: Der Landrat wurde seit Menschengedenken von Konservativen wie der CSU gestellt. Die Wahl 2008 hatte Jakob Kreidl (CSU) mit fast 65 Prozent der Stimmen gewonnen.
■ Wahl 2014: Wolfgang Rzehak (Grüne) hat die Stichwahl am 30. März mit 53,5 Prozent gegen Norbert Kerkel (Freie Wähler, 46,5 Prozent) gewonnen. Amtsinhaber Jakob Kreidl (CSU) war zwei Wochen zuvor beim ersten Wahlgang mit 15,8 Prozent nur Vorletzter geworden.
In Süddeutschland schon, aber in Hamburg oder Berlin?
Die Kreuzberger Grünen würden mich wahrscheinlich schon wegen meines Trachtenjankers ausschließen. Aber im bürgerlichen Charlottenburg sieht es vielleicht schon wieder anders aus. Auch dort schätzen die Wähler der Grünen pragmatische Politiker.
Ihre Amtszeit in Miesbach dauert sechs Jahre. Als Pragmatiker könnten Sie danach in die Landespolitik wechseln.
Am Wahlabend haben mir Claudia Roth und Toni Hofreiter gratuliert, aber ich habe gleich gesagt, dass ich keine höheren Ambitionen habe. Für die Fahrt ins Landratsamt brauche ich nur zwölf Minuten. Das ist perfekt.
INTERVIEW TOBIAS SCHULZE