: Echte Kenner shoppen am Vormittag
Viele Kaufhäuser öffnen ab Januar bis 22 Uhr. Besetzungsstärke soll den Kundenströmen angepasst werden. Proteste von Ver.di gegen längere Öffnungszeiten vor allem im Lebensmitteleinzelhandel. „Das kann für Verkäuferinnen schwierig werden“
VON BARBARA DRIBBUSCH
Wer ab dem nächsten Jahr in Kaufhäusern morgens bummeln gehen und dabei bloß keine Beratung möchte, wird idyllische Bedingungen vorfinden. In den Kaufhausetagen gibt es dann am Vormittag kaum noch Personal, dafür müssen die Verkäuferinnen abends länger ran. Die Schichtpläne in den Häusern müssen dann nämlich vielerorts über Öffnungszeiten bis 22 Uhr gestreckt werden.
„Wir werden die Besetzungskurven beim Personal den Kundenströmen und erweiterten Schlusszeiten anpassen“, erklärt Karstadt-Sprecher Elmar Kratz. Neues Personal soll für die längeren Öffnungszeiten nicht eingestellt werden. Der Karstadt-Konzern hat angekündigt, in den Metropolen die Türen künftig werktags bis 22 Uhr offen zu halten – als Folge von Gesetzesänderungen in mehreren Bundesländern. Die Länder bereiten derzeit Regelungen vor, mit denen die bisherigen Ladenschlusszeiten von werktags 20 Uhr bis mindestens 22 Uhr freigegeben werden. In Nordrhein-Westfalen ist das entsprechende Gesetzgebungsverfahren weit gediehen, auch in Berlin ist mit einer baldigen Freigabe zu rechnen. In Nordrhein-Westfalen könnten die Läden dann möglicherweise schon zum Weihnachtsgeschäft länger öffnen, in vielen anderen Bundesländern wird es ab Januar zu erweiterten Verkaufszeiten kommen.
„Das Einkaufsverhalten hat sich geändert“, sagt Rainer Kau, Einzelhandelsexperte bei der Gewerkschaft Ver.di, „früher wurden die meisten Umsätze am Montag und Dienstag gemacht, heute hingegen am Freitag und Samstag.“ Zudem habe sich der Konsum von den frühen in die Abendstunden hinein verlagert. Einkaufen wird zur Freizeitgestaltung. Die neuen Zeiten sind daher ein Zugeständnis an die Kunden – insgesamt rechnet der Handel weder mit höheren Umsätzen noch mit mehr Personal. „Öffnungszeiten bis in den späten Abend hinein bringen nur etwas, wenn sie ein Event sind, nicht, wenn sie zur Gewohnheit werden“, sagt Jürgen Dax, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels. Für kleinere Geschäfte böten längere Abendöffnungszeiten aber auch Chancen. Sie könnten ihre Kunden dann „durch Einladungen, etwa Modeschauen“, abends noch einmal gesondert ansprechen“, meint Dax.
Viele kleinere Läden liegen heute in Einkaufsstraßen, dort sehen die Mietverträge oftmals vor, dass die Geschäfte länger öffnen müssen, wenn eine Mehrheit der Mieter dafür ist. Der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr, erklärte allerdings, der Verband erwarte nicht, dass die Geschäfte in den Innenstädten dauerhaft über 20 Uhr hinaus geöffnet würden.
Die seit 2003 verlängerten Schlusszeiten bis 20 Uhr haben jedenfalls den Personalabbau im Einzelhandel nicht verhindert. Die Gewerkschaft Ver.di befürchtet nun den weiteren Abbau von Vollzeitstellen und die Zunahme von flexibler, geringfügiger Beschäftigung. „Außerdem stellt sich dann für manche Verkäuferin mit Familie die Frage, ob sie den Job überhaupt noch machen kann, wenn wir im Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise in Nordrhein-Westfalen Schlusszeiten bis zu 24 Uhr kriegen“, sagt Kau.
Die Arbeitgeber hätten in NRW den Manteltarifvertrag bereits gekündigt, um die hohen Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit zu sparen. In NRW sähe das geplante Gesetz zudem vor, dass an den ansonsten einkaufsfreien Sonntagen immerhin „Waren des täglichen Bedarfs“ verkauft werden dürften. „Diese Ausnahmeregel kann leicht zur Regel werden“, befürchtet der Gewerkschafter.