: Ein Führer für Schneckenhäuser
GENUSS Auch in Deutschland legt Slow Food nun einen Wegweiser durch die regionale, frische Küche vor
Wegweiser durch die Gourmetküche gibt es genug. Auch Italien kennt Führer, die Sterne und Hauben verteilen. Doch daneben hat sich die Schnecke, das Logo der Slow-Food-Bewegung, als Qualitätsbeweis in die Gastroszene eingeschlichen. 1.700 Gasthäuser sind inzwischen im „Osterie d’Italia“ verzeichnet, der 1990 erstmals aufgelegt wurde, um Interessierten den Weg in Lokale mit regionaler, frischer Küche zu zeigen.
Wie wichtig der Führer für die Gasthauskultur geworden ist, wird deutlich, wenn man mit italienischen Wirten spricht. Gerade unter ihnen hat das Verzeichnis im Laufe der Jahre zum Umdenken geführt, heute verzichten viele auf Convenience Food, also vorgefertigte Produkte. Sie setzen stattdessen auf den Landwirt in der Nähe und auf regionale Sorten und Rassen. Das Buch ist heute die Bibel der regionalen italienischen Küche.
Osterie d’Italia, der in vielen europäischen Ländern Nachahmer gefunden hat, hat nun auch eine Entsprechung in Deutschland gefunden: die erste Ausgabe des Gasthausführers der deutschen Slow-Food-Bewegung. Er ist dezentral entstanden und fasst die Empfehlungen aus den Regionalgruppen, den Convivien, zusammen. So lesen sich die einzelnen Texte durchaus unterschiedlich, man hat bewusst den jeweiligen Stil beibehalten und ihn nicht im Abschlusslektorat glattgebügelt.
Ganz eindeutig überwiegt das Angebot aus Süddeutschland. Vielleicht weil die Initiative ursprünglich von der Münchener Slow-Food-Gruppe kam, wahrscheinlicher jedoch ist, dass die Gasthauskultur in den ländlichen Räumen von Bayern, Franken oder Baden-Württemberg noch am lebendigsten ist.
Die Gasthäuser wurden, wenn möglich, mehrfach besucht und getestet. In der Beschreibung von Menüs und Speisen bekommt man einen guten Eindruck über den Stil des Hauses und wird zusätzlich über Besonderheiten informiert, etwa wenn eine ausführliche Weinkarte existiert, eine eigene Brauerei oder die Käserei um die Ecke.
Für Norddeutschland wünscht man sich da ein wenig mehr. Doch erhebt das Buch keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn es angenommen wird, könnte sich mit ihm die Gastroszene verändern. Das entscheidende Plus dieses Führers ist der Schwerpunkt auf einer genussorientierten, aber bezahlbaren Küche. Das war längst überfällig. CHRISTOPH RAFFELT
■ Der Autor ist Dozent an der Deutschen Wein- und Sommelierschule Hamburg) ■ „Slow Food Genussführer Deutschland 2014“, oekom-Verlag, 338 Seiten, 19,95 Euro