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Archiv-Artikel

Magister-Aus hat ein Nachspiel

HOCHSCHULE Ein Gutachten bezeichnet die Aufhebung der Magister- und Diplomstudiengänge an der Humboldt-Uni als rechtswidrig. Refrat droht mit Klage

Den Studierenden werde „ihr Recht auf freie Wahl des Berufs genommen“

AUS DEM GUTACHTEN

VON HANNAH KÖNIG

Der Streit über die Zwangsexmatrikulationen an der Humboldt-Universität (HU) geht in die nächste Runde: Laut einem Rechtsgutachten, das die Studierendenvertreter vom ReferentInnenrat (Refrat) in Auftrag gegeben haben, ist die Aufhebung der Magister- und Diplomstudiengänge rechtswidrig. Der Refrat hat deshalb das Land Berlin als zuständige Rechtsaufsicht eingeschaltet und fordert von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), innerhalb von 14 Tagen gegen die Universität vorzugehen.

Am 1. April dieses Jahres liefen an der HU rund 70 Magisterstudiengänge aus, die meisten davon an der Philosophischen Fakultät. Über 700 Studierende sollen deshalb exmatrikuliert werden. In den kommenden Semestern sind weitere Studiengänge betroffen. 15 Jahre nach der Bologna-Reform werden damit die letzten Überreste des alten Magister- und Diplomsystems beseitigt.

Doch laut Gutachten hat die Uni „fundamentale Grundsätze für die Einstellung von Studiengängen missachtet“. Im Berliner Hochschulgesetz sei vorgesehen, dass die Aufhebung nur durch das Zentralgremium erfolgen kann, das heißt: durch den Akademischen Senat. Stattdessen habe die HU die Entscheidung auf die einzelnen Fakultäten abgewälzt. „Es gibt nicht mal korrekte Aufhebungsbeschlüsse“, sagt Anwalt Matthias Trenczek, der den Refrat juristisch vertritt. „Die Fakultäten haben einfach einen Termin festgelegt.“

Das Vorgehen verstoße aber nicht nur gegen das Berliner Hochschulgesetz, sondern auch gegen das Grundgesetz. Den Studenten werde „mit jedem weiteren Tag dieser unhaltbaren Zustände an der HU Berlin ihr Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs genommen“, heißt es im Rechtsgutachten.

Die Uni ist laut Berliner Hochschulgesetz dazu verpflichtet, die individuellen Lebensumstände der betroffenen Studenten zu berücksichtigen. An der HU würden diese „weitgehend ignoriert“, kritisiert Sascha Watermann vom Refrat. Die Ablehnung der Anträge sollte die Ausnahme sein. Stattdessen würden gerade mal 10 Prozent der betroffenen Studenten eine Zusage erhalten.

Der Leiter der Studienabteilung, Steffan Baron, kann diese Zahlen nicht nachvollziehen. Von 163 Anträge auf einen späteren Prüfungstermin seien nur 30 abgelehnt worden, 101 hätten eine positive Rückmeldung erhalten. Der Rest sei zum Zeitpunkt der Abfrage am 25. März noch offen gewesen, so Baron.

Abgelehnt würden aber vor allem Anträge von Studierenden, die ihr Studium seit Jahren nicht mehr aktiv betrieben hätten. „In einem Antrag wurde zum Beispiel ein 2001 geborenes Kind als Härtefallgrund angegeben“, sagt Baron.

Dem Refrat sind dagegen ganz andere Fälle bekannt. Ein Student hätte sich etwa in den letzten zwei Jahren um seine krebskranke Mutter kümmern müssen, eine andere habe eine Fehlgeburt erlitten, berichtet Watermann. „Wenn die HU der Ansicht ist, dass alles, was wir kritisieren, Unfug ist, dann wird sich wohl die Rechtsaufsicht oder irgendwann ein Gericht damit beschäftigen müssen“, sagt der Refrat-Sprecher.

Trenczek empfiehlt jedem Studenten, dessen Härtefallantrag abgelehnt wird, zu klagen. „Ansonsten wird auch der rechtswidrigste Bescheid wirksam“, sagt der Anwalt. Weil die Klage eine aufschiebende Wirkung habe, könnten die Studenten auf diese Weise vorerst weiterstudieren. „So schnell kann schließlich kein Gericht eine Entscheidung treffen.“

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft will nun prüfen, ob im Schreiben des Refrat neue Aspekte angesprochen werden. Man stehe „natürlich mit der HU in Kontakt“, hieß es aus dem Büro von Senatorin Sandra Scheeres. Die Uni müsse erklären, wie mit den betroffenen Studenten umgegangen werde.