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: Wir werden wieder wer – in 20 Jahren

Der DFB-Sportdirektor stellt sein Nachwuchskonzept vor und hofft, dass sein Sohn bald rückwärtslaufen kann

Wer es noch nicht in seinem zu wenig vorausschauenden Kopf hatte, hat es nun von Matthias Sammer erfahren: „Wir“, also einige deutsche Fußballspieler, wollen 2026 Weltmeister werden. Schade, dass das Projekt nicht für 2010, 2014 etc. schon mal auf den Plan kommt. Aber Sammer, seit Frühjahr Sportdirektor des DFB, denkt eben groß – in 20-Jahres-Plänen. Vielleicht weil er in einem Land geboren wurde, in dem man mit 5-Jahres-Plänen nicht richtig weit gekommen ist.

In den vergangenen sechs Monaten also hat sich Sammer ein Nachwuchskonzept ausgedacht und noch eines zur Eliteförderung obendrauf. Seine Kompetenzen als Sportdirektor erstrecken sich ja leider, leider nicht auf die Betreuung der A-Nationalmannschaft – das machen bekanntlich schon die verschworenen Jogi Löw und Oliver Bierhoff. Als Sportdirektor sieht Sammer seine Aufgaben dennoch nicht allein in der fernen Zukunft, sondern umfassend im „Heute und Morgen“. Das Heute bezieht sich auf die Elitesache. Die hat etwas damit zu tun, wie junge Fußballer, die eh schon Auswahlspieler sind, noch intensiver durchleuchtet und ihre Entwicklung noch genauer erfasst werden. Prima. Vertrauen ist sicher gut, aber Kontrolle wirklich besser.

Hoffentlich torpediert das nicht den schönen Plan 2026, wenn mit so vorbildlich ausgebildeten Jungs schon vorher ein Titel erspielt wird. Im Hinblick auf 2026 jedenfalls muss, um nun „die Ganzheitlichkeit im Auge zu haben“ oder wahlweise „Ganzheitlichkeit an den Tag zu legen“, jetzt und sofort Kinderförderung angestoßen werden. Weil: die Weltmeister von dann sind bereits geboren. Hat Sammer mal durchgerechnet. Und zugleich in der eigenen Familie furchtbare Defizite erkannt: Sein im Jahr der Entscheidung 24 Jahre alter Sohn, kann heute, mit vier Jahren, weder rückwärts laufen noch auf einem Bein hüpfen.

Gut, das muss anders werden. Da würden dem Direktor alle zustimmen, von Ursula von der Leyen über die Supernanny bis zu Berti Vogts. Eine andere Frage ist, wie viel DFB-Konzept man für das Kleinkindproblem braucht. Vielleicht hätten es ein paar entspannte Spielstunden von Kind und Vater Sammer getan.

Mit den großen Nachwuchskampagnen des DFB ist es eh so eine Sache. Berti Vogts, der einem einst als Bundestrainer ständig seine Nachwuchskonzept-Schublade um die Ohren haute, ist heute vor allem als DSF-Experte an der Seite von DSF-Fußballer-Reporter Thomas Helmer präsent. Allwissend genug für eine ähnliche Karriere wäre Sammer. Allein schon, weil er neben Konzepten auch so viele Perlen ganzheitlicher Fußballweisheiten in der Schublade hat. Zum Beispiel diese: „Die Philosophie kann parallel laufen.“ Das gibt zu denken. Am besten, während man im Quadrat hüpft. Rückwärts. KATRIN WEBER-KLÜVER