nebensachen aus kairo
: Spüli-Laternen erhellen die drei Phasen der Fastenzeit

Fast drei Viertel des islamischen Fastenmonats sind um. Der Ramadan sollte eigentlich ein besinnlicher Monat sein, ähnlich der Weihnachtszeit. Aber im Morgen- wie im Abendland sind es doch menschliche Kreaturen, die die göttliche Bestimmung der spirituellen Zeit auf ihre eigene Art auslegen. Hier wie dort steht die Werbewirtschaft an vorderster heiliger Front. Höhepunkt in Kairo ist dies Jahr die Pril-Flasche in Form einer Ramadanlaterne, zu haben im Sechserpack, damit es auch den ganzen Monat reicht.

Der Ramadan durchläuft drei sehr verschiedene Phasen, berichten Buchhändler einem Journalisten, der wissen will, welche Literatur gut geht: In der spirituellen Phase der ersten Woche, der Zeit des Gebets und des In-sich-Gehens, werden religiöse Werke verschlungen. In der zweiwöchigen Phase des leiblichen Wohls sind die Bestseller Kochbücher, die Inspirationen für orientalische Köstlichkeiten zum abendlichen Fastenbrechen liefern. In der dritten Phase der Panik wird die Rechnung präsentiert. Gefragt sind Bücher mit spartanischen Diäten, die dem Übergewicht zu Leibe rücken sollen. Rein statistisch konsumieren die Ägypter im Fastenmonat fast doppelt so viel wie in den restlichen Monaten des Jahres. Nach dem Motto: tagsüber nichts, aber abends eine reich gedeckte Tafel.

Die zweite große Leidenschaft sind speziell für den Ramadan produzierte Seifenopern in der Glotze. Jedes Jahr werden dort auch gesellschaftliche Grenzen getestet, diesmal mit der saudischen Comedy-Serie „Tasch Ma Tasch“, einer Islamistenkritik, in der die selbst ernannten heiligen Krieger mit witzigen Episoden aus der „Terrorakademie“ aufs Korn genommen werden. Die dümmlich wirkenden Schüler werden dargestellt, wie sie roboterhaft ihre Mantras gegen die Ungläubigen herunterleiern – eine kaum versteckte Kritik an der konservativen Ideologie saudischer Wahhabiten. Politiksendungen haben dagegen während des Ramadan keine Chance.

Kein Krieg und keine Papstreden also: Die islamischen Rechtsgelehrten wenden sich den für die Fastenzeit relevanteren Fragen zu. Etwa der folgenden Fatwadiskussion: Gehört nebst Essen, Trinken und Sex auch das Rauchen zu den Dingen, die von Sonnenauf- bis -untergang tabu sind? Millionen schlecht gelaunter, enthaltsamer muslimischer Raucher würden einiges drum geben, wenn der blaue Dunst in Zukunft nicht mehr ins Fastenprogramm einbezogen würde. Ausgerechnet Gamal al-Banna, Neffe des Gründers der Muslimbrüder, warf in den Medien diese heikle Frage auf. Zwar heiße es im ägyptischen Dialekt nicht „man raucht eine Zigarette“, sondern „man trinkt eine Zigarette“, doch das allein könne nicht für ein Rauchverbot ausreichen. Es gebe keinen heiligen Text, der das Rauchen explizit untersage. Kein Wunder: Zu Zeiten des Propheten vor fast 1.400 Jahren gab es zwar Kamele, aber noch nicht in Zigarettenpäckchen. Der Rauch sei nur heiße Luft mit Zusätzen, meint al-Banna, und wenn die Gläubigen Staub einatmen oder versehentlich eine Fliege verschluckten, hätten sie damit sicher nicht ihr Fasten gebrochen. Zudem seien sich die Rechtsgelehrten einig, dass Gerüche, die das Hirn erreichen, auch im Ramadan nichts Verderbliches seien. Und was sei das Rauchen schließlich anderes?

Natürlich blieb diese gewagte Interpretation nicht unwidersprochen. Das Rauchen sei eindeutig ein Verlangen und müsse daher beim Fasten unterbunden werden, hält Ahmed Taha Rayan, Exdekan der islamischen Al-Azhar-Universität, rigoros dagegen. Nebenbei bemerkt dürfen die Fatwa-Kontrahenten davon freigesprochen werden, im Eigeninteresse zu debattieren. Der Verteidiger der heißen Luft, al-Banna, ist Nichtraucher, während Exdekan Rayan als Kettenraucher weiß, wovon er spricht, wenn er dem zügellosen Verlangen zumindest bei Tageslicht Einhalt gebieten will. KARIM EL-GAWHARY