: Schwärmen vom Stänkern
Eine verspätete Wertschätzung des amerikanischen Fotografen Bruce Conner im Düsseldorfer NRW-Forum. Seine Fotos aus dem Jahr 1978 sind vor allem eine Erinnerung an die wilden Jahre des Punk
VON KATJA BEHRENS
Der amerikanische Multimedia-Pionier Bruce Conner hat mit neo-dadaistischen Assemblagen, finsteren Reflexionen zur Konsumgesellschaft und mit Kurzfilmen seit den 1950er Jahren für Aufsehen gesorgt. Vor allem die schnell geschnittenen, musikunterlegten Experimentalfilme haben Generationen von Filmemachern stilistisch und konzeptionell stark beeinflusst. Die Filme sind es, die dem internationalen Kunstpublikum ein Begriff sind und die in Museums- und Galerieausstellungen heute noch gezeigt werden. Nachdem auf der diesjährigen Berlin-Biennale der amerikanische Film- und Objektkünstler endlich auch in Deutschland wieder zu entdecken war, werden nun seine Fotos aus dem legendären Punkmagazin Search and Destroy im Düsseldorfer NRW-Forum in zwei vom Künstler zusammengestellten Serien erstmals in Europa gezeigt. Der schrill-schmuddelige Glanz der frühen Punk-Jahre wird in den schwarz-weißen Bildern des Amerikaners mit subjektiver Anteilnahme dokumentiert.
Für das neu gegründete Punk-Magazin sollte Conner damals einige Fotos beisteuern. So hielt er sich fast das ganze Jahr 1978 mehrmals pro Woche im Mabuhay Gardens auf, fotografierte die Bands, die Fans und ihr nächtliches Treiben. Wackelnde Köpfe, zappelnde Leiber und schwappendes Bier, auf den Boden geworfene Gitarren, umgestürztes Mobiliar und zerrissene Kleidung werden in seinen Bildern zu Insignien des Punk. Mit langen Belichtungszeiten werden auch die Spuren der Bewegungen als Licht in die Bilder eingeschrieben.
Bruce Conner, geboren 1933 in McPherson, Kansas, war mit seiner Frau 1957 nach San Francisco gekommen, wo er noch heute lebt. In den 1950er Jahren erlebte er hier die Beatniks hautnah, in den 1960ern die Love-Generation und in den 1970ern die Punks. Auf Anfrage eines Freundes begleitete er dann 1978 mit seiner Canon Reflex die sich damals gerade formierende kalifornische Punkszene. Er beobachtete und fotografierte sie bei ihren nächtlichen Exzessen im Club Mabuhay Gardens am Broadway in San Francisco, einem abgehalfterten „Filipino-Varieté zwischen Striplokalen“, in dem etwa auch die Ramones und Death Kennedy spielten. Er wollte eine Dokumentation machen, erläutert Conner seine Arbeitsweise später, er wollte der Welt zeigen, „was in dieser Zeit passierte, welche Veränderungen sich ergeben. Und wie sich das Mabuhay Gardens als Ort verändert, drinnen, wie draußen, was mit den Leuten passiert – eine Umweltstudie, sozusagen“.
Seine Fotos zeigen neben den Toilettenräumen, Umkleiden, besprühten Wänden („Sid Vicious is a light weight“) des Etablissements vor allem die Protagonisten jener wilden Jahre: Toni Basil, Devo, Negative Trend, De Detroit und Theresa Soder auf der Bühne. Das fasziniert hingerissene Publikum im Club aber unterschied sich von den wüst performenden Musikern oft nur in Nuancen. Denn die Fans hatten womöglich am Abend vorher selbst auf der Bühne gestanden. Dirk Dirksen, der damals das Programm zusammenstellte, ließ nämlich „absolut jeden auf die Bühne“. Denn die Punkbewegung hatte eine Szene kreiert, in der Jede und Jeder Akteur sein konnte, eine Szene, die noch wenig professionalisiert, gerade deswegen aber vielleicht so mitreißend war: „was passierte als Punk aufkam, war, dass er die gesamte Hippie-Szene aufgemischt hat. Jetzt war Stänkern statt Schwärmen angesagt“, erinnert sich Bruce Conner. Punk war eine Bewegung, die die optimistisch-freundliche 68er-Verweigerung wütend anarchisch verwandelt hatte. Ob in London, New York, San Francisco, oder in Akron/Ohio, Carlisle/Pennsylvania – und Düsseldorf/Germany.
Der Künstler selbst ist, obschon er zwischenzeitlich immer wieder abgetaucht war, stets aktives Mitglied der Untergrundszene San Franciscos gewesen. So sind seine Fotografien intime Einblicke in eine Gemeinschaft, die hier wie andernorts auch durch Schweiß, Drogen, Alkohol, durch Gesten der Verweigerung und Zerstörung und vor allem durch die Musik zusammengehalten wurde.
Bis 22.11.2006 Infos: 0211-8926690